Die Bewohner von Oberrohrdorf nahmen eine Warteschlange in Kauf, um ihre Stimme zur geplanten Turnhalle abzugeben. Die Gegner waren in der Überzahl, das 6,5-Millionen-Projekt ist gescheitert. Die Befürworter können ein Referendum ergreifen.
Diese Gemeindeversammlung geht in die Geschichte von Oberrohrdorf ein: Der geplante Bau einer dritten Turnhalle für 6,55 Millionen Franken bewegte die Gemüter derart, dass sich vor dem Eingang der Turnhalle Hinterbächli eine Warteschlange von 50 Metern bildete. «Einen solchen Aufmarsch habe ich noch nie erlebt», sagte Gemeindeammann Daniel Hug (FDP).
Mit 601 von 2786 Stimmberechtigten und rund 70 Interessierten verzeichnete die Gemeinde einen Besucherrekord. Damit nicht genug: Wie Hug erklärte, knackte ein neuer Zuzüger am selben Tag die 4000er-Einwohnermarke. Und: Eine junge Frau erhielt das Schweizer Bürgerrecht ohne Gegenstimme. Nach dieser Freude wurde es ernst.
«Die Entwicklung der Schulden ist beängstigend», sagte Hug, als er den Finanzplan 2015 bis 2019 erläuterte. Die finanzielle Lage der Gemeinde und die geplante dritte Turnhalle hatten das Dorf im Vorfeld der Versammlung gespaltet.
Für die Turnhalle kämpften die CVP-Ortspartei sowie die zehn Vereine, die das Projekt ins Leben gerufen hatten. Das «Komitee für gesunde Finanzen» mobilisierte dagegen. Als Hug der Gemeinderätin und CVP-Frau Monika Locher das Mikrofon überliess, stieg die Spannung. Locher, die als Ressortvorsteherin das Projekt vertrat, stand im Kreuzfeuer der (Filz-)Kritik, weil sie und ihre Familie Mitglieder des TSV Rohrdorf sind.
Nach ihren Erläuterungen zum Vorhaben folgte eine lange Diskussion, die von Hanno Schaerer, ehemaliger Gemeindeammann, unterbrochen wurde. «Wir können noch lange diskutieren, es wird keine neuen Argumente für oder gegen das Projekt geben.» Sein Antrag, zur Abstimmung zu kommen, fand Beifall.
Der Gemeindeammann trat daraufhin mit seiner Familie in den Ausstand. Grund: Als unmittelbarer Nachbar der Turnhalle ist er vom Projekt betroffen. Die Abstimmung erfolgte geheim. Dies auf Antrag eines Stimmbürgers, der mit 170 Ja-Stimmen gutgeheissen wurde.
Dann der für Hug und Locher überraschende Entscheid: Mit 315 Nein- zu 270 Ja-Stimmen wurde die dritte Turnhalle abgelehnt. Der Beschluss unterliegt dem fakultativen Referendum.
«Ich habe mehr Solidarität erwartet. Ich bin enttäuscht», sagte Christian Zimmermann, Präsident Jugendspiel Rohrdorferberg und Sprecher der zehn Vereine. Die Gegner hätten sich offensichtlich nicht zeigen wollen, sagte er zur geheimen Abstimmung.
Der Gemeindeammann stellte nach dem Turnhallen-Entscheid den Antrag, das Budget 2015 mit einem Steuerfuss von 85 anstelle der geplanten 93 Prozent gutzuheissen. Ein Stimmberechtigter formulierte daraufhin den Antrag, das Budget mit 88 Prozent zu genehmigen. Dieser verlor jedoch mit 263 Ja-Stimmen gegen den Antrag des Gemeinderats, der mit 285 Stimmen gutgeheissen wurde.
Konkret: Das Budget mit einem Steuerfuss von 85 Prozent ist genehmigt worden, das sind drei Steuerprozentpunkte mehr als bisher. «Dass der Gemeinderat ohne mit der Wimper zu zucken einen Steuerfuss von 85 Prozent vorschlägt, ist unverständlich», ärgert sich Zimmermann.
«Damit werden der nächsten Generation genau so viel Schulden hinterlassen, wie mit einer Turnhalle und einem Steuerfuss von 93 Prozent.» Daniel Hug: «Das ist zwar nicht ganz falsch. Die Steuerpflichtigen hätten aber mit einem Steuerfuss von 93 Prozent anstatt 85 leben müssen, um die Überschreitung der Überschuldungsgrenze zu vermeiden. Das wollten die Stimmbürger nicht.»
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen: Nächste Woche halten die Vereine eine Krisensitzung. «Dann werden wir entscheiden, ob wir das Referendum ergreifen oder nicht», sagt Zimmermann.
Lesen Sie den Kommentar zum Entscheid der Gemeindeversammlung hier.