Startseite
Aargau
Fricktal
Trotz Verhandlungen und Sparbemühungen steigt der Anteil der Stadt Rheinfelden von 1,5 auf 4,9 Millionen Franken.
Der Rheinsteg ist «ein Projekt mit Strahlkraft», betonte Klaus Eberhardt, Oberbürgermeister von badisch Rheinfelden, gestern vor den Medien. Franco Mazzi, Stadtammann auf Schweizer Seite, sprach von einem «Symbol der länderübergreifenden Zusammenarbeit».
In den letzten Monaten allerdings wurde das Bauprojekt von einer anderen (Symbol-)Kraft überstrahlt: den Kosten. Ging man nach dem Wettbewerb 2014 noch von Gesamtkosten von knapp 7 Millionen Euro aus, stiegen diese bis zur Ausschreibung auf 9,5 Millionen. Mit dieser Summe im Gepäck ging man an die Ausschreibung. Eine erste Ernüchterung war, dass sich zwar viele Unternehmen für den Bau interessierten, letztendlich aber nur zwei Firmen überhaupt ein Angebot abgaben.
Die zweite, weit schmerzhaftere Ernüchterung war der Blick auf die eingereichten Zahlen: 14,4 Millionen Euro veranschlagte der günstigere der beiden Anbieter, die Strabag AG in Österreich – das entspricht einer Kostensteigerung von 4,9 Millionen Euro oder 50 Prozent. Man habe «leer geschluckt», als man die Zahlen sah, sagte Eberhardt gestern.
Die Flinte ins Korn werfen wollten die beiden Städte aber trotz der Kostenexplosion nicht – zu viel Arbeit und Geld hatten sie schon investiert, zu viel Symbolkraft lag im Prestigeprojekt. Man verhandelte mit den Firmen und passte das Projekt in elf Punkten an. Fazit der Sparbemühungen: Die Kosten konnten um 12 Prozent gesenkt werden, der Rheinsteg kostet somit noch 12,7 Millionen Euro.
Am Erscheinungsbild werde sich nichts ändern, sagte Tobias Obert, Leiter der Tiefbauabteilung in badisch Rheinfelden und Projektleiter Rheinsteg. «Wir haben auf nichts verzichtet, alles bleibt gleich.» Kosten gespart hat man beim Feintuning. Etwa mit einem anderen Belag auf der Brücke – Kosteneinsparung: 306 000 Euro. Oder mit einem anderen Geländer, einer nachgebesserten Statik, einer Reduktion des Hochwasserschutzes während der Bauzeit. Ursprünglich war geplant, dass auch bei einem 100-jährigen Ereignis weitergebaut wird, nun ist der Hochwasserschutz auf ein 10-jähriges Ereignis ausgelegt. «Wir nehmen damit einzig in Kauf, dass die Bauarbeiten bei einem starken Hochwasser ein bis zwei Wochen ruhen.»
Mit dem erzielten Ergebnis ist Eberhardt «verhalten zufrieden». Er erinnerte daran, dass der Baukostenindex zwischen dem Wettbewerbsjahr 2014 und heute um 17,8 Prozent gestiegen sind. Zudem: «Je eine Million Euro haben wir schon für die Planung ausgegeben.» Sie sind also weg, auch wenn nicht gebaut wird.
Natürlich habe man auch versucht, auf der Einnahmeseite Verbesserungen zu erzielen, sagte Eberhardt. Sprich: Die Subventionstöpfe noch mehr anzuzapfen. Das gelang auf deutscher Seite weit besser als auf Schweizer Seite. Hier konnte man sich Förderungsbeiträge von knapp 4 Millionen statt nur 2,6 Millionen Euro sichern. Auf Schweizer Seite dagegen war nichts zusätzlich zu holen, wie Stadtbaumeister Urs Affolter erklärte. Es bleibt bei den gut 2,2 Millionen Franken, die das Aggloprogramm Basel und der Kanton Aargau beisteuern. Damit hat Eberhardt eine deutlich komfortablere Ausgangslage als Mazzi: Er muss seinem Gemeinderat am kommenden Donnerstag einen Kostenanteil von 2,2 Millionen Euro schmackhaft machen, was rund eine Million mehr ist, als bewilligt wurde. Er ist denn auch zuversichtlich, dass der Gemeinderat dem «befürwortenden Antrag» des Stadtrates zustimmt. Allerdings war der Widerstand gegen das Projekt auf deutscher Seite bei der Abstimmung deutlich grösser; beim Bürgerentscheid kippte das Projekt nur deshalb nicht, weil das notwendige Quorum nicht erreicht wurde.
Mazzi muss seinen Stimmberechtigten am 19. Juni Mehrkosten von über 3 Millionen Franken schmackhaft machen. Der ursprüngliche Kostenanteil der Stadt lag bei knapp 1,5 Millionen Franken und liegt nun bei 4,9 Millionen Franken. Darin sind allerdings auch 200 000 Franken für die Umlegung der Kanalisation im Rheinweg sowie eine neue Pontonier-Rampe enthalten.
Viel Geld, das ist sich die Stadt bewusst. Auf die Chancen beim Souverän angesprochen, gibt Mazzi denn auch eine sibyllinische Antwort: Er könne sich gut vorstellen, dass die Stimmbürger dem höheren Kredit zähneknirschend zustimmen werden. Deutlich euphorischer – oder vielleicht besser: kämpferischer ist Stadtrat Hans Gloor: «Wir werden alles geben, um die Zustimmung zu holen.» Es stecke viel Herzblut und Arbeit im Projekt und es wäre «ein herber Verlust, wenn es nicht realisiert würde».
Schmackhaft machen will Mazzi den Stimmberechtigten die Mehrkosten vorab mit fünf Argumenten. Der Rheinsteg verbinde die beiden Rheinfelden, erstens, für die nächsten 100 Jahre. Er verbinde, zweitens, Wohn- und Arbeitsort (viele Deutsche pendeln in die Schweiz zum Arbeiten). Der Rheinsteg sei durch Berichte und Geschichte, drittens, bereits zum Identitätsmerkmal der beiden Städte avanciert. Er steigere, viertens, die Lebensqualität und sei, fünftes ein Symbol für die länderübergreifende Zusammenarbeit. «Es steckt sehr viel Arbeit und Idealismus in diesem Projekt», so Mazzi.
Inzwischen steckt auch ein leiser Zeitdruck hinter dem Projekt. Denn 2,3 Millionen Euro kommen vom Förderprogramm Interreg 5 und dieses läuft 2020 aus. Die Interreg-Verantwortlichen wollen deshalb bis Ende Juni 2019 wissen, ob der Steg nun gebaut wird oder nicht. Wenn nicht, geben sie die Fördermittel an ein anderes Projekt.
Natürlich, so Eberhardt, könnte man das Projekt nun auch erst einmal schubladisieren und es in einigen Jahren wieder hervorkramen. Doch erreicht wäre damit wenig. Zum einen ist nicht klar, ob und wie viel das Nachfolge-Förderprogramm, Interreg 6, bezahlen würde. Zum anderen würde die Ruhepause kaum etwas an den Kosten ändern – zumindest nicht in die gewünschte Richtung. Man habe abgeklärt, was wäre, wenn erst in vier bis fünf Jahre gebaut würde, sagte Eberhardt. «Die Situation wäre gleich. Die Anbieter haben genügend gesicherte Aufträge.»
Die neue Rheinsteg-Runde ist damit eingeläutet. Bereits am Donnerstag wird sich in badisch Rheinfelden zeigen, ob das Projekt genügend Strahlkraft hat, um die stählerne Kraft der Mehrkosten zu brechen.