25 Jahre Haft für Separatistenführer

Die Staatsanwaltschaft hat hohe Haftstrafen für Politiker der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung gefordert. Die höchste Strafe verlangte sie für den ehemaligen stellvertretenden Regionalpräsidenten Oriol Junqueras.

Ralph Schulze, Madrid
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Der katalanische Separisternführer Oriol Junqueras befindet sich in Untersuchungshaft. Bild: Paul White/AP (Madrid, 2. November 2018)

Der katalanische Separisternführer Oriol Junqueras befindet sich in Untersuchungshaft. Bild: Paul White/AP (Madrid, 2. November 2018)

Die gerichtliche Aufarbeitung der eigenmächtigen Unabhängigkeitsbeschlüsse der katala­nischen Separatisten im Herbst 2017 rückt näher. Spaniens Staatsanwaltschaft präsentierte nun die Anklageschrift gegen 18 Separatistenführer, denen demnächst der Prozess gemacht werden soll. Für die mutmass­lichen Hauptverantwortlichen des als illegal angesehenen ­Unabhängigkeitsreferendums und einer nachfolgenden Abspaltungserklärung werden zwischen 16 und 25 Jahren Haft wegen ­Rebellion gefordert.

Der mit Spannung erwartete Mammutprozess soll im Januar anlaufen. Das Strafverfahren findet im Obersten Gerichtshof in Madrid statt und dürfte über mehrere Monate andauern. Sieben Richter einer Strafkammer werden dann darüber befinden müssen, wie die unilateralen Unabhängigkeitsentscheidungen der damaligen katalanischen ­Regionalregierung strafrechtlich zu werten sind.

Puigdemont droht Anklage bei Rückkehr

Spaniens Verfassung sieht, ähnlich wie die Grundgesetze der meisten europäischen Staaten, die Abspaltung einer Region nicht vor. Eine Unabhängigkeit Kataloniens wäre somit erst nach einer Verfassungsänderung möglich, die vom nationalen Parlament beschlossen werden müsste – eine Mehrheit für eine solche Verfassungsreform gibt es derzeit aber nicht.

An der Spitze der katalanischen Regionalregierung stand damals Carles Puigdemont, der als einer der Köpfe des katalanischen Separatistenaufstands gilt. Als die strafrechtlichen Ermittlungen vor einem Jahr anliefen, flüchtete Puigdemont nach Belgien. Deswegen kann ihm derzeit in Spanien kein Prozess gemacht werden. Bei einer Rückkehr nach Spanien müsste Puigdemont freilich ebenfalls mit einem Strafverfahren und einer Anklage wegen Rebellion rechnen. Wegen ihrer als illegal angesehenen Entscheidungen war die Puigdemont-­Regierung im Herbst 2017 von Madrid abgesetzt worden.

Puigdemonts damaliger Vize, Oriol Junqueras, stellte sich hingegen der Justiz. Junqueras, Chef der grossen Separatistenpartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke), sitzt seit einem Jahr in Untersuchungshaft. Für ihn fordert die Staatsanwaltschaft 25 Jahre Haft wegen Rebellion. Fünf weitere Puigdemont-Minister, die sich ebenfalls in ­U-Haft befinden, will die Anklagebehörde 16 Jahre ins Gefängnis schicken.

Zwei Anführern separatistischer Bürgerplattformen und Ex-Parlamentspräsidentin Carmen Forcadell drohen 17 Jahre Haft. Für andere Unabhängigkeitspolitiker, die des Ungehorsams angeklagt sind, werden nur Geldstrafen gefordert.

Regierung sucht Entschärfung

Spaniens seit Juni amtierende ­Sozialistenregierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez versucht derweil mit einer neuen Geste, das Klima zu entspannen. Die Anwälte der spanischen ­Regierung, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, werfen den Separatisten nicht mehr wie früher Rebellion, sondern nur noch Landfriedensbruch vor – womit im Falle einer Verurteilung auch das Strafmass sinken würde.

Zuvor hatte Spaniens Regierung Katalonien bereits mehr Autonomie angeboten in der Hoffnung, auf diese Weise den Konflikt entschärfen zu können. Anders als sein Vorgänger Rajoy setzt Sánchez auf Dialog, um den Konflikt zu entschärfen. Doch die bisherigen Gesten reichen den Separatisten nicht.

Sie halten ihre Unabhängigkeitsbeschlüsse des vergangenen Jahres weder für Rebellion noch für Landfriedensbruch und auch nicht für Ungehorsam. Kataloniens Regionalpräsident Quim Torra, ein Vertrauter Puigdemonts, hält das ganze Strafverfahren für einen «politischen Prozess» und erklärte: «Jedes Urteil, das kein Freispruch ist, wäre ein ungerechtes Urteil.»

Separatisten-Chef Junqueras, der seine Esquerra-Partei seit einem Jahr aus der Unter­suchungshaft führt, rechnet derweil nicht wirklich mit einem milden Urteil der Richter: «Wir bereiten uns», schrieb er aus seiner Zelle, «auf eine lange Zeit im Gefängnis vor.»