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Alle lieben Francis: Der Papst verzaubert in den Staaten nicht nur Katholiken

Zehntausende Menschen jubeln Papst Franziskus am ersten Tag seiner Visite in den Vereinigten Staaten zu.

Renzo Ruf, Washington
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Papst Franziskus in den USA Der Papst war im September 2015 zu Besuch bei den Obamas im Weissen Haus.
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Papst Franziskus in den USA
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Papst Franziskus in den USA Der Papst war im September 2015 zu Besuch bei den Obamas im Weissen Haus.

Keystone

Sie war gut vorbereitet. Vorige Woche verkündete die fünfjährige Sophie Cruz einem lokalen Fernsehsender in Los Angeles, sie habe eine klare Botschaft an Papst Franziskus. Falls sie während ihrer Visite in Washington Gelegenheit habe, direkt mit ihm zu sprechen, werde sie dem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche sagen: «Mein Herz ist traurig, und ich würde es begrüssen, wenn Sie mit dem Präsidenten und dem nationalen Parlament sprächen und den Aufenthaltsstatus meiner Eltern legalisierten.» Denn sie, so Sophie, habe jeden Tag Angst davor, dass die amerikanische Einwanderungsbehörde ihre Eltern ins Heimatland Mexiko zurückschafften.

Drei klare Statements

Am Mittwoch nun erhielt die kleine Sophie Cruz ihre grosse Chance. Als der Papst, nach einer Visite im Weissen Haus, auf der prächtigen Constitution Avenue in der amerikanischen Hauptstadt, eine Mini-Parade veranstaltete, stieg sie über die Barrikaden. Ein Polizist hielt sie zuerst zurück, dann aber winkte Franziskus ihr aus dem umgebauten Jeep Wrangler zu, von dem aus der Papst die Zehntausenden von begeisterten Schaulustigen grüsste. Cruz wurde von einem mitgereisten Sicherheitsagenten gepackt und emporgehoben. Sie umarmte den Pontifex und streckte ihm zwei Geschenke zu: ein T-Shirt und einen persönlichen Brief. Natürlich war es Zufall, dass der Papst just die Tochter von Latinos aus der Menge pickte, die sich ohne gültige Aufenthaltspapiere in den USA befinden. Man könnte aber auch von einem Fingerzeig sprechen. Denn Franziskus hat sich während seines sechs Tage dauernden Aufenthaltes drei politische Ziele gesetzt.

Erstens will er den Amerikanern in Erinnerung rufen, dass sie in einem Land wohnen, in dem Immigranten eine zentrale Rolle spielten. Im Weissen Haus sagte Franziskus, als «Sohn von Einwanderern» sei er «glücklich, Gast in einem Land zu sein», das vornehmlich durch Familien von Immigranten gegründet worden sei. Amerikanische Katholiken seien bestrebt, eine Gesellschaft zu bilden, die «wirklich tolerant» sei und sämtliche Bevölkerungsgruppen willkommen heisse, erklärte er weiter – eine klare Breitseite gegen populistische Stimmen in den USA, die gegen (illegal eingewanderte) Menschen aus Mittel- und Südamerika hetzen.

Zweitens lobte der Papst seinen Gastgeber, Präsident Barack Obama, für dessen Initiative, den Schadstoffausstoss zu begrenzen. «Für mich ist es klar», sagte Franziskus in etwas brüchigem Englisch, dass man die Lösung des Problems des Klimawandels nicht der nächsten Generation überlassen könne.

Drittens machte der Papst aber auch klar, dass er sich politisch nicht vereinnahmen lasse. Den Gästen im Weissen Haus – mehr als 11 000 Menschen – rief er in Erinnerung, dass die Glaubensfreiheit zu einem der wichtigsten Grundrechte gehört. Diese mahnenden Worte können als Kritik an der Regierung Obama verstanden werden, die gerade in sozialpolitischen Fragen wenig Verständnis für religiöse Bedenken zeigt.

Weil Obama aber gerade in wirtschaftspolitischen Fragen mit Franziskus weitgehend einig ist, wird der Präsident diese feine Kritik wohl wegstecken können. Die beiden trafen sich am Mittwoch zu einem 40 Minuten dauernden Gespräch im Oval Office im Weissen Haus. Im Nachgang zu dieser Unterredung unter vier Augen wollte der Präsidenten-Sprecher Josh Earnest allerdings keine Auskunft über die Themen geben, die angeschnitten wurden. Earnest sagte bloss, es habe sich um ein «Privatgespräch» gehandelt, an dem bloss ein Übersetzer zugegen gewesen sei.