Omikron
Ein Land ist krank: Den USA droht aufgrund der hohen Zahl von Covid-Erkrankungen der Kollaps

Aufgrund der schieren Masse der Covid-Erkrankten in den USA – mehr als 1,4 Millionen Menschen pro Tag – droht ein Engpass im Spitalwesen. Weil auch viele Arbeitskräfte im Gesundheitssystem ausfallen, stehen auf den Intensivstationen weniger Betten zur Verfügung.

Renzo Ruf, Washington
Drucken
Das amerikanische Spitalwesen befindet sich am Anschlag. Die Pflegefachfrau Sara Nystrom bereitet sich auf ihre Arbeit in einer Intensivstation in einem Spital in Lebanon (New Hampshire) vor.

Das amerikanische Spitalwesen befindet sich am Anschlag. Die Pflegefachfrau Sara Nystrom bereitet sich auf ihre Arbeit in einer Intensivstation in einem Spital in Lebanon (New Hampshire) vor.

Steven Senne / AP

Ein neuer, trauriger Rekord: Noch nie seit Beginn der Corona-Pandemie befanden sich in den USA so viele Menschen mit einer Covid-Erkrankung in Spitalpflege. Aktuell sind landesweit gegen 146'000 Betten belegt – wobei mehr als 24'000 Amerikanerinnen und Amerikaner sich aufgrund einer schweren Erkrankung mit Covid auf einer Intensivstation befinden. Zum Vergleich: Vor ziemlich genau einem Jahr, als nur eine kleine Zahl von Menschen in den USA geimpft waren, befanden sich fast 140'000 Menschen in Spitalpflege. Und auf den Intensivstationen mussten auf dem Höhepunkt der letztjährigen Winter-Welle fast 30'000 Amerikanerinnen und Amerikaner in Spitälern gepflegt werden.

Die grösste Volkswirtschaft der Welt steht deshalb erneut vor einer grossen Belastungsprobe – mit negativen Folgen auf den Detailhandel, das Schulwesen und das Gesundheitssystem. Zwar stimme es, sagen Fachleute, dass eine Erkrankung mit der Omikron-Mutation des Virus für vollständig geimpfte und geboosterte Menschen häufig weniger schlimme Folgen habe.

Weil aber derzeit jeden Tag mehr als 1,4 Millionen Menschen an Covid erkranken, droht aufgrund der schieren Masse von Krankheitsfällen ein Engpass. Hinzu kommt: Unter den Menschen, die sich aktuell anstecken, befinden sich auch viele Spitalangestellte, Ärztinnen oder Pflege-Fachleute. Dies führt zu einer Verschärfung der Engpässe.

Auf Hawaii beispielsweise fallen derzeit 1'500 Menschen aus, die im Gesundheitswesen arbeiten. «Mehr als 10 Prozent» der Beschäftigten befänden sich in Quarantäne, sagte Josh Green, der stellvertretende Gouverneur, diese Woche. Der Spital-Verbund The University Hospitals (Ohio) wiederum sah sich gezwungen, aufgrund des Personalmangels zwischenzeitlich bis zu 16 Prozent der Betten auf den Intensivstationen aus dem Verkehr zu ziehen. «Wir stehen wirklich vor einer Krise», sagte Timothy Friel, der für ein Gesundheitssystem im Lehigh Valley in Pennsylvania arbeitet, der Zeitung «Philadelphia Inquirer». «Ich glaube, keiner von uns hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir in der gleichen Situation sein würden.»

Aussage von CDC-Chefin bewusst verdreht

Die Kommunikationsstrategie der Regierung von Präsident Joe Biden kommt derweil immer schärfer unter Beschuss. «Es ist nicht erstaunlich, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner verwirrt sind», sagte am Dienstag der republikanische Senator Richard Burr während einer Anhörung in der kleinen Parlamentskammer. Auch kritisierte Burr, dass es weiterhin schwierig sei, sich Testkits für den Eigengebrauch zu beschaffen.

Das stimmt. Es stimmt aber auch, dass den gesundheitspolitischen Aushängeschildern der Regierung Biden ständig die Worte im Munde verdreht werden. Ein Beispiel bloss: Am Montag kursierte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ein Filmchen, in dem Rochelle Walensky, die Direktorin der Gesundheitsbehörde CDC, sagte: 75 Prozent der Menschen, die an Covid gestorben seien, hätten mindestens vier weitere Begleiterkrankungen wie Diabetes aufgewiesen.

Für die Corona-Skeptiker war diese Aussage ein gefundenes Fressen, behaupten sie doch schon lange, dass die Covid-Todeszahlen (aktuell: mehr als 11'500 Menschen pro Woche) manipuliert seien. Der Sport-Kommentator Clay Travis, der während der Pandemie in der rechten Szene zum Star wurde, schrieb daraufhin auf Twitter: «Weil Biden Covid nicht stillegen kann, werden solche Daten nun plötzlich veröffentlicht.»

Allein: Das Filmchen war schlecht geschnitten. Walensky, so zeigt ein Blick auf die gesamte ABC-Sendung «Good Morning America», hatte eine Frage beantwortet, die sich nur auf geimpfte Amerikanerinnen und Amerikaner bezogen.