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Im Schatten der Präsidentschaftswahlen wählen die Amerikaner am Dienstag auch ihr neues Parlament.
Morgen Dienstag wählt Amerika nicht nur seinen neuen Präsidenten, sondern auch ein neues Parlament. Sämtliche 435 Abgeordnete des Repräsentantenhauses müssen sich der Wahl stellen. In 34 der 50 Bundesstaaten geht es zudem um die Besetzung der Sitze im Senat, der kleinen Parlamentskammer. Gerade die Senatswahl ist entscheidend dafür, was in Amerika in den kommenden Jahren passieren wird.
Derzeit stellen die Republikaner im Senat 53 der 100 Sitze, die Demokraten 47. Zur Wahl stehen 35 Sitze, ein Drittel des Senats: 23 Mandate der Republikaner und 12 der Demokraten. Die Republikaner müssen also mehr Sitze verteidigen als die Demokraten. Erstmals seit 2014 könnte die Partei von Präsident Donald Trump deshalb die Mehrheit in der kleinen Kammer verlieren. Die Demokraten sind die klaren Favoriten laut vielen Beobachtern.
Die beiden Kammern des Kongresses (wie das US-Parlament heisst) sind zwar gleichberechtigt. Der Senat ist darüber hinaus aber auch zuständig für die Bestätigung von Ministern, Regierungsmitarbeitern und Richtern. Wenn eine der beiden Kammern von der gegnerischen Partei kontrolliert wird, ist das Risiko gross, dass das Parlament Vorschläge des Präsidenten blockiert. Der Präsident muss dann häufiger auf sogenannte Dekrete («Executive Orders») zurückgreifen, um seine Ideen durchzusetzen. Diese stehen auf wackligen Beinen und können vom Nachfolger im Weissen Haus relativ einfach wieder rückgängig gemacht werden. Donald Trump unterzeichnete in seiner ersten Amtszeit 193 «Executive Orders», mehr als jeder Präsident seit Bill Clinton.
Die Demokraten müssen drei Sitze dazu gewinnen, wenn sie unter einem Präsidenten Joe Biden auch im Senat die Mehrheit stellen wollen. Den Stichentscheid bei einem Patt (50:50) hätte nämlich der Vizepräsident. In Arizona, Colorado, Maine und North Carolina liegen die Kandidaten der Demokraten derzeit vorne. Im Gegenzug wackelt im konservativen Südstaat Alabama der Sitz des demokratischen Senators.
Die Amerikaner sprechen von einer «wave election» («Wellen-Wahl»), wenn die Wähler von den Amtsinhabern derart genug haben, dass die politische Stimmung auch Landesteilen kippt, in denen die Verhältnisse vermeintlich klar und deutlich waren. So wurden 1980 acht demokratische Senatoren abgewählt, als Ronald Reagans ins Weisse Haus kam. Sollte Biden an der Spitze eines Trump-müden Elektorats ins Weisse Haus einziehen und dabei auch in konservativeren Landesteilen wie Texas, Iowa oder Georgia triumphieren, dann könnte die Machtbalance im Senat nach links kippen, weil dann auch die republikanischen Amtsinhaber in diesen Bundesstaaten ihre Sitze verlieren würden.
Sämtliche Prognostiker sind sich einig: Die Demokraten werden ihre Mehrheit ausbauen. Offen ist bloss, in wie vielen Bezirken die Mehrheitspartei die Nase vorn haben wird. Der Cook Political Report sagt, dass die Demokraten in der nächsten Legislatur im 435 Sitze zählenden Repräsentantenhaus bis zu 253 Mandate stellen könnten. Nancy Pelosi, die 80-jährige Vorsitzende der grossen Kammer, hat deshalb bereits angekündigt, dass sie sich um eine weitere Amtszeit bemühen werde.