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Der russische Autor Arkadi Babtschenko lebt. Bei einer Pressekonferenz in Kiew erklärten die Sicherheitsbehörden, der angebliche Mord sei eine Spezialoperation gewesen.
Eine Inszenierung, die verwirrt: Seit Dienstagabend trauerten Freunde und Weggefährte um den russischen Autor und Journalisten Arkadi Babtschenko. Der 41-Jährige Regierungskritiker, der zwei Tschetschenien-Kriege als Soldat und mehrere Kriege als Reporter überlebt hatte, soll, so die ersten Meldungen der ukrainischen Polizei, von einem Unbekannten mit drei Schüssen in den Rücken ermordet worden sein. Er sei in einem Krankenwagen an seinen Verletzungen gestorben.
Schnell verband man seinen Tod mit seiner journalistischen Tätigkeit. Babtschenko hatte radikal das System Putin kritisiert, er hatte die Krim-Annexion und den Krieg in der Ostukraine scharf verurteilt. Nachdem das Alexandrow-Ensemble der russischen Armee auf dem Weg zu einem Neujahrskonzert in Syrien bei einem Flugzeugabsturz bei Sotschi verunglückt war, schrieb der Moskauer, er habe kein Mitleid mit solchen Menschen.
Daraufhin bekam er Morddrohungen – und floh mit seiner Frau und seiner Tochter über Israel und Tschechien nach Kiew. Wo er, so schrieben seine Weggefährten, sich ebenfalls nicht sicher fühlte.
Der angebliche Mord an Babtschenko schien der Beweis dafür, dass jeder, der das russische Vorgehen in der Welt kritisiere, auf der Abschussliste stehe. Schnell hatte Kiew Moskau für das Verbrechen am Journalisten verantwortlich gemacht, Moskau wiederum Kiew. Ein Verbrechen, das es nicht gegeben hatte.
Am Mittwochabend die erleichternde, wie irritierende Pressekonferenz in Kiew: Der angebliche Mord sei eine über Monate vorbereitete Aktion gewesen, um Anschlagspläne des russischen Geheimdienstes zu enttarnen, sagte der ukrainische Inlandsgeheimdienst-Chef Wassili Grizak. «Wir haben einen Mordanschlag auf Babtschenko mit einem Spezialeinsatz verhindert.»
Der mutmassliche Organisator sei festgenommen worden. Es soll sich um einen ukrainischen Staatsbürger namens G. handeln, der vom russischen Geheimdienst 10 000 US-Dollar bekommen haben soll, um Auftragskiller zu finden, die für Verbrechen mit mehreren Opfern sorgen sollten. Dafür sollte dieser dann weitere 30 000 US-Dollar erhalten. G. habe einen Mann beauftragen können, der in der Ostukraine gekämpft habe.
«Verzeih mir, Oletschka», sagte Babtschenko vor der Presse zu seiner Frau Olga. «Es gab keine anderen Varianten. Ich habe meine Arbeit getan. Noch lebe ich.» Die Operation sei zwei Monate lang vorbereitet gewesen, vor einem Monat habe man ihn informiert.
Der Journalist war durch seine scharfen Texte gegen die Kriege, in die Russland involviert ist, bekannt geworden. «Ich tat, was man mir sagte, ich ging, wohin man mir befahl, ich trug, was man mir aufbürdete, ich fuhr mit dem, wohin man mich setzte, ich schoss auf alles, wohin man mir zeigte. Obwohl das alles keinen Sinn ergab. Ich kam ohne Verletzungen und ohne Auszeichnungen aus», schrieb er über seinen Einsatz im ersten Tschetschenien-Krieg.
Dieser Krieg, all die Bilder von Leichen, von seinen getöteten Freunden, er liess ihn nie los. Er schrieb Bücher darüber (im Westen sind «Die Farbe des Krieges» (2007) und ein «Guter Ort zum Sterben» (2009) die bekanntesten). Er berichtete über andere Kriege für die «Nowaja Gaseta», für die auch die 2006 ermordete Anna Politkowskaja gearbeitet hatte.
Am Dienstagmorgen hatte Babtschenko bei Facebook, das er gern zur Publikation seiner Texte nutzte, noch von einem Hubschrauber geschrieben, der ihn vor vier Jahren nicht mitgenommen hatte, wegen zu viel Gewicht. Kurze Zeit später sei dieser abgeschossen worden. «Dieser Tag war mein zweiter Geburtstag.» Babtschenko feiert nun wohl seinen dritten Geburtstag – und lässt seine Mitmenschen glücklich, aber auch ratlos zurück.