Der Anschlag auf eine Militärparade im iranischen Ahwaz wird die Spannungen zwischen den muslimischen Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien weiter verschärfen.
«Zuerst dachten wir, die Schüsse wären ein Teil der Parade.» So beschreibt der iranische Journalist Behrad Ghasemi den Anschlag auf einen Aufmarsch der Revolutionsgardisten in der südwestiranischen Stadt Ahwaz am Samstag. «Als Soldaten und Zivilisten blutüberströmt zusammenbrachen, wussten wir, dass wir Augenzeuge einer Terrorattacke waren.» Mindestens 29 Menschen kamen ums Leben.
Der von vier Attentätern verübte Angriff auf die Parade, mit der an den Beginn des iranisch-irakischen Krieges vor 38 Jahren (1980–1988) erinnert werden sollte, war live im Staatsfernsehen übertragen worden. Zwei der Angreifer, die angeblich erschossen wurden, trugen Uniformen der Revolutionsgardisten. Zu dem Terroranschlag bekannten sich der sogenannte «Islamische Staat» sowie auch der «Nationale Widerstand von Ahwaz». Überzeugende Beweise für ihre Täterschaft lieferten die Gruppen allerdings bisher nicht. Die iranische Führung machte «regionale Sponsoren und ihre US-Herren» für die Terroranschläge verantwortlich und drohte mit einer «umgehenden und konsequenten Reaktion». «Diejenigen, die diesen Terroristen Informationen und Unterstützung gewähren, werden sich dafür verantworten müssen», drohte der iranische Staatspräsident Hassan Rohani während eines Truppenaufmarsches in der Hauptstadt Teheran.
Namen wurden nicht genannt. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass der Iran neben Israel und den USA vor allem Saudi-Arabien und das Emirat Abu Dhabi verdächtigt, die von massiven US-Sanktionen geplagte Islamische Republik weiter zu destabilisieren. Entsprechende Versuche könnten in der von schiitischen Arabern bewohnten Ölprovinz Chusistan mit der Hauptstadt Ahwaz durchaus auf fruchtbaren Boden stossen.
Obwohl in Chusistan fast 90 Prozent des iranischen Öls gefördert wird, ist die Bevölkerung bitterarm. Während der heissen Sommermonate kam es zu Strom – und Wassersperren, was Massenproteste der Bevölkerung ausgelöst hatte. Sie bringt ihren Unmut über die ungerechte Verteilung der Ressourcen im Iran bereits seit Jahren zum Ausdruck. Die Regierung reagierte auf die Unmutsäusserungen mit der Verhaftung von mutmasslichen Rädelsführern, von denen einige öffentlich in Ahwaz gehängt wurden. Als die Armee von Saddam Hussein im September 1980 den Iran überfallen hatte, hoffte der Diktator, die Erdölprovinz Chusistan vom Rest des Irans abspalten zu können.
Die ersehnte Rebellion der «arabischen Brüder» gegen das Khomeini-Regime blieb jedoch aus. Die arabische Minderheit, die etwas 5 Prozent der Bevölkerung stellt, solidarisierte sich mit den Mullahs in Teheran, ohne letztendlich dafür belohnt zu werden. Knapp 40 Jahre stehen die Araber mit der überwiegend persischen Geistlichkeit auf Kriegsfuss, was den Geheimdiensten von Saudi-Arabien und anderer Golfstaaten natürlich nicht entgangen ist.
So wie der Iran die schiitische Minderheit in Saudi-Arabien zu mobilisieren versuchte und im mehrheitlich schiitischen Bahrain vor sieben Jahren den Volksaufstand unterstützte, bemühen sich auch die arabischen Erzrivalen des Irans darum, ihren politischen Rivalen auf vielfältige Art und Weise zu schwächen. Auch Terror wurde und wird dabei als «geeignetes Mittel» betrachtet. Mit dem blutigen Anschlag in Ahwaz ist der Bogen aus der Sicht Teherans nun allerdings gewaltig überspannt worden. Die ohnehin massiven Spannungen zwischen den muslimischen Erzrivalen werden sich nun nur noch weiter verschärfen.
Beobachter in der iranischen Hauptstadt schliessen nicht aus, dass den gegen zwei «Regionalstaaten» gerichteten Drohungen vom Wochenende schon bald Taten folgen könnten. Die Bevölkerung, heisst es in Teheran, erwarte jetzt «eine entschlossene Reaktion». Der Iran dürfe jetzt «keine Schwäche» zeigen.