Erdogan-Satire
Böhmermann sagt nächste Sendung ab und steht unter Polizeischutz – Merkel verteidigt Meinungsfreiheit

Wie der TV-Satiriker via soziale Netzwerke bekannt gibt, sagt er die nächste Ausgabe seiner Sendung «Neo Magazin Royale» ab. Als Grund wird der massive öffentliche Druck angegeben. Der Entscheid sei in Abstimmung mit dem Sender ZDF erfolgt.

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Der TV-Satiriker Jan Böhmermann sagt wegen des öffentlichen Drucks die nächste Ausgabe seiner Sendung ab.

Der TV-Satiriker Jan Böhmermann sagt wegen des öffentlichen Drucks die nächste Ausgabe seiner Sendung ab.

Keystone

Sein «Schmähgedicht» über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat einen grossen Wirbel um Jan Böhmermann ausgelöst. Seither meidet der TV-Satiriker die Öffentlichkeit. Auch in den sozialen Netzwerken ist kaum mehr etwas von ihm zu lesen.

Nun hat sich Böhmermann gemeinsam mit der Produktionsfirma btf GmbH entschieden, die für Donnerstag geplante nächste Ausgabe der Sendung «Neo Magazin Royale» nicht zu produzieren.

Als Grund wurden die «massive öffentliche Berichterstattung und der damit verbundene Fokus auf die Sendung und den Moderator» angegeben.

Die Absage erfolgte, obschon Thomas Bellut, Intendant des ZDF, Böhmermann kurz zuvor noch die Rückendeckung ausgesprochen hatte:

Das ZDF sowie auch Böhmermanns Stamm-Sender und ZDF-Tochter ZDFneo vermelden auf Twitter, dass man den Entscheid von Jan Böhmermann respektiere und Verständnis für dessen Begründung habe.

Unter Polizeischutz?

Wie das deutsche Newsportal «Focus Online» berichtet, soll Jan Böhmermann mittlerweile unter Polizeischutz stehen.

«Ein Streifenwagen steht vor der Tür», sagte ein Polizeisprecher am Dienstag in Köln. Man stehe auch mit anderen Sicherheitsbehörden im Kontakt.

Zuvor habe es eine Beurteilung der Gefährdungslage gegeben. «Wenn man etwas nicht ausschliessen kann, dann muss man etwas tun», sagte der Polizeisprecher.

Strafanzeige von Erdogan

Böhmermann hatte am 31. März in seiner Sendung «Neo Magazin Royale» ein Gedicht mit dem Titel «Schmähkritik» vorgelesen, das vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan handelte und zahlreiche geschmackslose Formulierungen enthielt, die arg unter die Gürtellinie zielten.

Jan Böhmermann hatte allerdings zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen, das eine derartige Schmähkritik in Deutschland illegal sei. In der Folge verlangte die Türkei eine Strafverfolgung des TV-Satirikers: Noch prüft die deutsche Regierung das Ersuchen der türkischen Regierung, den Moderator wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Der türkische Staatspräsident Erdogan stellte am Montag daneben auch persönlich Strafanzeige gegen Böhmermann wegen Beleidigung. Bei einem Auftritt in der südostanatolischen Stadt Sanliurfa bezeichnete er das Gedicht als ein «schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit».

Merkel erinnert an Grundrechte

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm am Dienstag in allgemeiner Art Stellung zum Fall. Dabei betonte sie die Meinungsfreiheit in Deutschland.

«Wir haben die Grundwerte des Grundgesetzes. Dazu gehört der Artikel fünf, das ist die Freiheit der Meinung, der Wissenschaft und natürlich auch der Kunst», sagte Merkel am Dienstag in Berlin. «Diese Grundwerte gelten unbeschadet aller politischen Probleme, die wir miteinander besprechen», fügte sie mit Blick auf die mit der Türkei hinzu. «Dazu gehört auch das Thema Flüchtlinge.»

Es gebe ein gemeinsames Interesse der Türkei und der EU, in der Flüchtlingsfrage eine Lösung zu finden. Aber das alles sei völlig unabhängig davon, dass «die Grundrechte in Deutschland gelten, und davon völlig entkoppelt sind», sagte die Kanzlerin.

Sie selbst hatte das Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu nach Angaben ihres Sprechers als «bewusst verletzenden Text» bezeichnet.

Der Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung Böhmermanns werde von der Regierung geprüft. Diese sehr sorgfältige Prüfung solle in den nächste Tagen abgeschlossen werden, sagte Merkel. (edi/sda)