Frankreich
Busse oder Entwöhnungskurs: So will Frankreich die Prostitution abschaffen

Die Nationalversammlung in Paris wird am Mittwoch voraussichtlich ein Gesetz verabschieden, um gegen Zuhälterei und Menschenhandel vorzugehen. Die Hauptbetroffenen laufen allerdings Sturm dagegen.

Stefan Brändle, Paris
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Prostituierte protestieren in Paris gegen das neue Gesetz, mit dem Freier bestraft werden sollen.

Prostituierte protestieren in Paris gegen das neue Gesetz, mit dem Freier bestraft werden sollen.

imago/ZUMA Press

Der Besuch des Pariser Rotlichtviertels Pigalle kann in Zukunft ganz schön ins Geld gehen. Und das nicht nur wegen der «Tarife» des horizontalen Gewerbes: Wer von der Polizei in flagranti mit einer «belle de nuit» (einer «Nachtschönen») erwischt wird, zahlt in Zukunft 1500 Euro Busse. Im Wiederholungsfall sind es sogar 3750 Euro. Ergänzend kann ein «Stage zur Sensibilisierung» angeordnet werden; zu Deutsch etwa: ein Entwöhnungskurs, wie er heute schon bei Alkoholikern oder Verkehrssündern möglich ist.

Das entsprechende Gesetz will die Nationalversammlung in Paris am Mittwoch definitiv verabschieden. Die Annahme durch die rot-grüne Parlamentsmehrheit scheint gesichert. Feministische Ministerinnen wie Marisol Touraine und Najat Vallaud-Belkacem hatten sich jahrelang für die «Abschaffung» der Prostitution eingesetzt. Darunter verstehen sie nicht ein Verbot, sondern einen intensivierten Kampf gegen Zuhälterei und Menschenhandel. 90 Prozent der «prostituierten Personen», wie es geschlechtsneutral heisst, stammen aus dem Ausland – China, Osteuropa oder im Fall der Transvestiten aus Südamerika.

Die Hauptbetroffenen laufen allerdings immer noch Sturm gegen das Gesetz, das ihr Gewerbe «infrage stellt». Das meint das «Syndikat der Sexarbeit» (Strass), das keineswegs als politisch reaktionär gilt. Es ruft für heute Mittwoch zu einer Demonstration vor der Nationalversammlung auf, weil das Gesetz für die Prostituierten «gefährlich» sei. Denn es vertreibe sie von der Strasse in verborgene Hinterzimmer, wo sie gewalttätigen Kunden, Zuhältern oder Polizisten stärker ausgeliefert seien.

68 Prozent...

... der Französinnen und Franzosen sind gemäss einer Umfrage gegen das
Gesetz zur Bestrafung von Freiern.

Die Initiantin des Gesetzes, die sozialistische Abgeordnete Maud Olivier, entgegnete in der Parlamentsdebatte, in Ländern wie Schweden, Norwegen und Island habe die bereits eingeführte Freierbusse zu positiven Resultaten geführt: Die Prostitution sei um die Hälfte zurückgegangen, und die anfänglich skeptische öffentliche Meinung sei heute klar dafür.

Prominente gegen «Verbotskultur»

In Frankreich sind gemäss einer Umfrage 68 Prozent der Bevölkerung dagegen. Viele wollen nicht verstehen, dass das nicht nur katholische, sondern auch libertäre Frankreich dem skandinavischen Modell folgen soll. Diverse Petitionen mit sprechenden Namen wie «Hände weg von meiner Hure» oder Prominente wie die Schauspielerin Catherine Deneuve wandten sich gegen die «Verbotskultur».

Für die Juristin und Frauenrechtlerin Christine Le Doaré geht es hingegen darum, «Schuld und Beweislast» von den Prostituierten auf die Freier zu verlagern. Deshalb streicht das Gesetz auch das Verbot des «Anmachens» auf der Strasse. Prostituierten war es in Frankreich bisher untersagt, auf der Strasse auch nur durch augenfällige Kleidung Kunden anzuziehen.

Starthilfe für Aussteigerinnen

Gegen das Gesetz sind aber auch Feministinnen wie Elisabeth Badinter. «Ich finde es nicht normal, dass man den Frauen erlaubt, sich zu prostituieren, aber den Männern untersagt, zu ihnen zu gehen», meinte sie. Generell widerspreche das Gesetz dem hart erkämpften Frauenrecht, frei über seinen Körper verfügen zu können.

Le Doaré entgegnete, diese angebliche Freiheit sei in den meisten Fällen eher ein Fall moderner Sklaverei. Es gehe nicht um Moral oder Prüderie, sondern um das «Austrocknen» des Marktes. Das neue Gesetz sieht deshalb auch vor, dass ausländische Prostituierte, die auf illegale Weise nach Frankreich gekommen sind und ihr Metier aufgeben wollen, eine Starthilfe in Form einer sechsmonatigen Aufenthaltsbewilligung erhalten.