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Nach drei Jahren im «Exil» kehrt die frühere Uno-Chefanklägerin Carla Del Ponte zurück. In einem Interview äussert sie sich zum mutmasslichen Organhandel in Kosovo und kritisiert die internationale Gemeinschaft scharf.
Drei Jahre musste die frühere Uno-Chefanklägerin Carla Del Ponte schweigen. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verpasste ihr als Botschafterin in Argentinien einen Maulkorb, an dem sie schwer zu tragen hatte. Nur einmal missachtete Del Ponte die direkte Weisung von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Im April 2009 nahm die Tessinerin in einer Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) ausführlich Stellung zu ihrem Buch «Im Namen der Anklage». Es folgte eine Rüge.
Nun ist die nicht unumstrittene Anklägerin zurück und das «verordnete Schweigen» Schnee von gestern. In einem Interview mit der «NZZ» spricht Del Ponte über ihre Zeit in Den Haag und den illegalen Organhandel in Kosovo, den sie gerne aufklären möchte. Del Ponte wehrt sich gegen den Vorwurf, ohne Beweise «grobe Anschuldigungen» gegen den Regierungschef von Kosovo, Hashim Thaci, erhoben zu haben.
«Es gab auch andere Verbrechen»
«Klar hatten wir zu wenige Beweise für eine Anklage, die Indizien waren aber ernst», erklärt Del Ponte. Sie habe Fakten bezüglich dem Organhandel im Buch erwähnt, damit jemand Ermittlungen aufnehmen würde, «die wir nicht durchführen konnten». «Es gab auch andere Verbrechen, bei deren Aufklärungen wir behindert wurden», so Del Ponte. Damit meint sie die Nato-Angriffe in Serbien. Man habe ermittelt, wurde aber jäh von der Nato gestoppt, die nicht kooperieren wollte. «Wir hatten darüber einen Bericht veröffentlicht, ohne dass sich die internationale Gemeinschaft gross aufgeregt hätte.»
Weshalb die Ermittlungen zum mutmasslichen Organhandel im Sand verlaufen sind, erklärt Del Ponte mit der fehlenden Rückendeckung: «Die politischen Interessen lagen anders. Die Nato kooperierte während des Konflikts mit der UCK.» Sie habe mit dem damaligen Nato-General in Kosovo darüber gesprochen, doch dieser hätte ihr den Zugang zu den Dokumenten nicht erlaubt. «In meiner Zeit hat sich vor allem Albanien verweigert. Und die Unmik, die Uno-Übergangsverwaltung in Kosovo, hatte wenig Interesse gezeigt, die Verbrechen aufzuklären.
Del Ponte fordert unabhängige Institution
Eine klare Vorstellung hat Del Ponte, was nach der Publikation des Berichts von Dick Marty geschehen soll. Marty kritisierte die internationale Gemeinschaft scharf. Sie sei auf die kurzfristige Stabilität fixiert gewesen und haben wichtige Grundsätze der Gerechtigkeit geopfert. Es müsse nun eine unabhängige, internationale Institution geschaffen werden, die für die Ermittlungen und den Zeugenschutz verantwortlich sein müsse, fordert Del Ponte. «Mich persönlich würde es reizen, diese Kosovo-Ermittlungen zu übernehmen. Aber ich sehe, dass niemand daran gedacht hat.» Sie verfüge über gute Kenntnisse des Dossiers und auch Beziehungen und könnte diese Ermittlungen schnell durchführen. Die EU sei jetzt gefordert, und die Amerikaner sollten mithelfen. (sza)