Am Freitag dürfte die Liberale Partei ihrem Premierminister Malcolm Turnbull den Schuh geben. Die politische Instabilität sorgt in der Wirtschaft für Kritik.
Der australische Premierminister Malcolm Turnbull ist politisch am Ende. Nach einem turbulenten Tag, an dem er sogar die Unterstützung seiner engsten Vertrauten verloren hatte, kündigte er für Freitag eine Sondersitzung seiner Fraktion im Parlament an. Damit dürfte es zu einer Kampfabstimmung um den Posten des Parteivorsitzenden und Regierungschefs kommen. Allerdings machte Turnbull zur Bedingung, dass eine Mehrheit der Abgeordneten die Sondersitzung verlangen müsse – schriftlich und mit Unterschrift. Er selbst würde dann nicht mehr antreten, meinte er. Das könnte eine Nachwahl zur Folge haben: die liberal-nationale Regierungskoalition hat im Repräsentantenhaus eine Mehrheit von nur einem Sitz.
Bereits am Dienstag hatte der ultrakonservative Herausforderer Peter Dutton 35 Stimmen erhalten. Seither sammelte der ehemalige Polizist mehr Unterstützer. Der frühere Innenminister benötigt sieben weitere Stimmen, um den Posten zu gewinnen. Garantiert ist ihm das aber nicht: Die Justiz prüft fieberhaft, ob es relevant ist, dass mehrere Kindertagesstätten staatliche Subventionen erhalten, die von Duttons Familien-Anlagefonds kontrolliert werden. Ein solcher Interessenskonflikt würde ihn disqualifizieren, im Parlament zu sitzen. Am Donnerstag gab es Meldungen, auch der bisherige Schatzkanzler Scott Morrison könnte seinen Hut in den Ring werfen.
Am Mittwochmorgen erlitt Turnbull den wohl härtesten Schlag: Finanzminister Mathias Cormann entzog ihm die Unterstützung. Der in der deutschsprachigen Enklave Eupen in Belgien aufgewachsene Politiker galt als loyaler Turnbull-Anhänger. Er stammt aus dem konservativen Flügel der Partei. Dutton und Cormann sind beste Freunde.
«Was wir zurzeit erleben, ist ein gezielter Versuch, die Liberale Partei nach rechts zu rücken», sagte Turnbull vor den Medien. Er spielt damit auf die Gruppe von ultrakonservativen Parlamentariern um seinen Amtsvorgänger Tony Abbott an. Dieser unterminiert seinen Nachfolger, seit ihn Turnbull im Jahr 2015 aus dem Amt gedrängt hat. Konservativen war Turnbull wegen seiner liberalen Politik ein Dorn im Auge. So kritisieren sie bis heute, dass sich Australien im letzten Jahr in einem Referendum für die von Turnbull propagierte Homoehe aussprach.
Der grösste Zankapfel aber ist die Energiepolitik. Abbott und seine Gruppe von Klimaskeptikern sehen keinen Grund für Australien, seine Klimagasemissionen zu drosseln. Sie haben sich vehement gegen die Förderung erneuerbarer Energieformen eingesetzt. Stattdessen fordern sie den Bau neuer Kohlekraftwerke. Turnbull knickte vor seinen Herausforderern regelmässig ein. Damit schuf er sich im eher progressiven Teil der Partei, aber auch in der Bevölkerung weitere Feinde. Der bekannte Kommentator Paddy Manning sprach am Donnerstag von einer «Geiselnahme unserer Demokratie durch eine Gruppe extremer Konservativer».
Mit einem neuen Gesetz wollte Turnbull den Ausstoss von Treibhausgasen um 26 Prozent unter den Wert von 2005 senken. Am Montag liess er auf Druck der Konservativen auch dieses bescheidene Ziel fallen.
Die Wirtschaft warnt vor einem Verlust des Vertrauens internationaler Anleger in den politischen Prozess. Der Chef des Rohstoffunternehmens Oil Search, Peter Botton, zeigte sich diese Woche erleichtert, primär im Nachbarland Papua-Neuguinea tätig zu sein. Die Energiepolitik in dem von Korruption, Politikskandalen und Unruhen geplagten Land sei «substanziell stabiler» als in Australien. Ian Davies, Vorsitzender des Gasförderers Senex Energy, sagte, der «Tod des Energiegesetzes» sei «enorm enttäuschend». Andere Länder hätten ein «besseres Investitionsklima».
Verschiedene Vertreter ausländischer Unternehmen bezeichnen Australien wegen der politischen Instabilität inzwischen hinter vorgehaltener Hand als «Italien im Pazifik». Der Sessel des Premierministers wurde zum Schleudersitz, nachdem Kevin Rudd von der Laborpartei bei den Wahlen 2007 nach elf Jahren die Amtszeit des konservativen Premiers John Howard beendete. Schon in seiner ersten Amtszeit wurde Rudd von seiner Stellvertreterin Julia Gillard geputscht. Drei Jahre später wurde sie wiederum durch Rudd ersetzt. 2013 kam der konservative Tony Abbott an die Macht, nur um zwei Jahre später von Turnbull aus dem Amt geworfen zu werden.