US-Präsidentschaftswahl
Clinton und Trump vor legendärem Schlagabtausch: Diese fünf TV-Debatten schrieben Geschichte

Welchen Fauxpas leistet sich Trump? Wegen der Unberechenbarkeit des Republikaners verspricht der Schlagabtausch mit Hillary Clinton Hochspannung – und sie könnte sich einreihen in die Liste der Fernsehdebatten, die bis heute Geschichte geschrieben haben, von Nixon gegen Kennedy bis Obama gegen Romney.

Renzo Ruf, Washington
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«Glaubt niemandem, der euch sagt, er könne alles alleine lösen.» Hillary Clinton Präsidentschaftskandidatin, im Juli auf dem Parteitag der Demokraten

«Glaubt niemandem, der euch sagt, er könne alles alleine lösen.» Hillary Clinton Präsidentschaftskandidatin, im Juli auf dem Parteitag der Demokraten

Keystone

Nichts wurde dem Zufall überlassen. Als Präsident Barack Obama und sein Herausforderer Mitt Romney vor vier Jahren vor Fernsehkameras debattierten, regelte ein 21 Seiten zählender Vertrag sämtliche Details dieses Zusammentreffens: die Höhe der Rednerpodien (127 Zentimeter), die Temperatur am Veranstaltungsort («angemessen») und das ausdrückliche Verbot an die Kandidaten, sich zu nahe zu treten. Erst als dieses Abkommen ausgehandelt war – notabene durch zwei hochkarätige Rechtsanwälte – gaben die Wahlkampfstäbe grünes Licht für die Debatten.

Wenn sich nun am Montagabend (Ortszeit) die Demokratin Hillary Clinton und der Republikaner Donald Trump auf Long Island (New York) zur ersten Fernsehdebatte treffen, wird wohl kein derart detailliertes «Memorandum of Understanding» vorliegen. Bisher jedenfalls gibt es keine Anzeichen dafür, dass die beiden Wahlkampfstäbe in Verhandlungen stehen. Und selbst wenn sich die beiden wider Erwarten auf einen Rahmen einigen könnten, in dem die insgesamt drei Debatten ausgetragen werden – wer könnte denn schon garantieren, dass sich der republikanische Präsidentschaftskandidat an diese Abmachungen hielte?

Der Verführer

Mit der Unberechenbarkeit Trumps lässt sich die grosse Spannung erklären, mit der Amerikas Wählerinnen und Wähler dem Zusammentreffen entgegenfiebern. Der Republikaner ist zwar kein brillanter Rhetoriker, wie die elf TV-Debatten zeigten, in denen er sich während der Vorwahlen mit den parteiinternen Konkurrenten mass. Aus seinem Umfeld heisst es, er lehne es ab, sich den traditionellen Scheingefechten zu stellen, die der Vorbereitung der Kandidaten dienen.

Die Termine: Am Dienstag um 3 Uhr den Wecker stellen

Die erste Fernsehdebatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump beginnt am Montag um 21 Uhr (Ortszeit) auf Long Island (New York). In der Schweiz ist die Debatte am Dienstag um 3 Uhr nachts zu sehen. Die zwei weiteren TV-Duelle zwischen Clinton und Trump finden am 9. Oktober in St. Louis (Missouri) und am 19. Oktober in Las Vegas (Nevada) statt. (rr)

Nach einer langen Karriere als Entertainer (Trump war 14 Jahre lang Hauptdarsteller der Reality Show «The Apprentice» auf dem Sender NBC) weiss er aber, wie man sich vor der Kamera bewegen muss. Und er weiss, wie leicht sich das Publikum zu Hause vor den Fernsehgeräten verführen lässt: mit einer Mischung aus Populismus und Humor, Unverfrorenheit und Lügen. Hier liegt die eigentliche Herausforderung für den Moderator der ersten Debatte, den NBC-Nachrichtensprecher Lester Holt. Der Afroamerikaner – übrigens ein erklärter Republikaner – wird sich entscheiden müssen, ob er korrigierend eingreifen will, wenn Trump die Grenze des guten Geschmacks überschreitet oder wenn er lügt. Trump sagt, wenig überraschend: Holt solle die Rolle des neutralen Schlichters spielen und nicht direkt in den rhetorischen Schlagabtausch zwischen den beiden Kandidaten eingreifen.

Ähnlich sieht es Bob Schieffer, der in seiner langen Karriere als Journalist für den Fernsehsender CBS drei TV-Duelle moderierte. In einem Gastbeitrag in der «Washington Post» wählte Schieffer kürzlich eine Sport-Analogie, um die Rolle eines Debatten-Moderators zu beschreiben: «Niemand geht an ein Ballspiel, um sich den Schiedsrichter anzuschauen.»

Demokratische Kreise stellen sich auf den Standpunkt, dass Lester Holt und Konsorten sehr wohl die Pflicht hätten, grobe Unwahrheiten zu korrigieren. Allerdings begeben sich die Journalisten in solchen Momenten auf Glatteis. So schlug sich die damalige CNN-Journalistin Cindy Crowley im Jahr 2012 auf die Seite von Präsident Obama, als dieser mit Romney darüber stritt, ob er den Anschlag in Bengasi (Libyen) schnell als «terroristischen Akt» verurteilt hatte. Später zeigte sich, dass diese Interpretation zumindest debattenwürdig war.

Die Seriöse

Hillary Clinton wiederum kann sich nicht einfach darauf verlassen, dass sich Trump während der 90 Minuten dauernden Debatte ein Bein stellen wird. Die Demokratin bereitet sich deshalb seit Tagen minuziös auf den ersten Schlagabtausch mit Trump vor – indem sie sich über die Positionsbezüge des Kontrahenten schlaumacht und mit ihren Beratern diskutiert. Übers Wochenende will Clinton zudem mit einem Double des pompösen Bauunternehmers debattieren, heisst es aus ihrem Umfeld. Die Identität der Person, die Trump in den Scheindebatten verkörpert, ist ein gut gehütetes Geheimnis.

Fünf Fernsehdebatten, die Geschichte schrieben:

1960: Richard Nixon gegen John F. Kennedy

Richard Nixon gegen John F. Kennedy

Richard Nixon gegen John F. Kennedy

Keystone

Vizepräsident Richard Nixon galt als talentierter Politiker: Ein Mann, der ein gutes Gespür für die Leiden und Freuden des Durchschnittsamerikaners besass. Im Sommer 1960, kurz vor der heissen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs, unterlief dem 47-jährigen Republikaner aber ein geradezu historischer Fehler. Er willigte in insgesamt vier Fernsehdebatten mit seinem demokratischen Kontrahenten John F. Kennedy ein. Bereits in der ersten Auseinandersetzung zeigte sich, dass der unbeholfene Nixon gegen den jung-dynamischen Emporkömmling keine Chance haben würde. Während JFK sonnengebräunt zum TV-Duell aufkreuzte, laborierte Nixon an einer Knie-Verletzung und wirkte matt. Zudem verzichtete Nixon auf Make-up – angeblich, weil ihm der Kennedy-Stab versichert hatte, der 43-jährige JFK werde nicht geschminkt. Für die Fernsehzuschauer konnte der Kontrast deshalb nicht grösser sein: hier der ausgeruhte Kennedy, da der bleiche, schwitzende Nixon. (rr)

1984 Ronald Reagan gegen Walter Mondale

Ronald Reagan gegen Walter Mondale

Ronald Reagan gegen Walter Mondale

Ronald Reagan Library

Präsident Ronald Reagan war 73 Jahre alt, als er sich 1984 um eine zweite Amtszeit bewarb – und der Republikaner, lange als Teflon-Politiker verspottet, zeigte sein wahres Alter immer häufiger. So wirkte Reagan in der ersten Fernsehdebatte gegen den Herausforderer Walter Mondale fahrig und abwesend. Die Demokraten witterten bereits den grossen Sieg. «Der Typ ist am Ende», sagte Mondale einem Berater. Reagan aber fasste sich. Als er in der zweiten Debatte gefragt wurde, ob er denn Zweifel daran habe, dass er den Anstrengungen seines Amtes noch gewachsen sei, antwortete der Präsident: «Keinesfalls. Ich möchte Sie zudem wissen lassen, dass ich die Altersfrage nicht zum Wahlkampfthema machen werde. Ich werde die Jugend und Unerfahrenheit meines Gegners politisch nicht ausnützen.» Selbst Mondale, zarte 60 Jahre alt, musste lachen. «Er sah lebendig aus», lautete der treffende Kommentar des Herausforderers, «und nur darauf achteten die Zuschauer.» (rr)

1988 Lloyd Bentsen gegen Dan Quayle

Lloyd Bentsen gegen Dan Quayle

Lloyd Bentsen gegen Dan Quayle

Keystone

Dan Quayle konnte sein Glück kaum fassen, als er 1988 von George Bush zum republikanischen Kandidaten fürs Vizepräsidium ernannt wurde. Der 41-jährige Senator aus Indiana sah sich aber einer Welle von Häme und Spott ausgesetzt, weil er als politisches Leichtgewicht galt. Quayle verteidigte sich. Er verwies unter anderem darauf, dass der allseits verehrte JFK vor seiner Kandidatur für das Präsidentenamt weniger lang im Senat gedient hatte. Das stimmt zwar, seine Berater baten Quayle aber, von solchen Vergleichen abzusehen. In der ersten und einzigen Fernsehdebatte mit Lloyd Bentsen, dem demokratischen Anwärter auf das Vizepräsidium, schlug der Republikaner den Rat in den Wind – und erwähnte den ermordeten Präsidenten. Daraufhin sagte der 67-jährige Bentsen: «Senator, ich diente mit Jack Kennedy. Ich kannte Jack Kennedy. Jack Kennedy war mein Freund. Senator, Sie sind kein Jack Kennedy.» Quayle schluckte leer, bevor er sagte: «Das war nun wirklich unangebracht.» (rr)

1992 George Bush gegen Bill Clinton

George Bush gegen Bill Clinton

George Bush gegen Bill Clinton

Keystone

Bill Clinton hatte eine Idee: Als sein Stab 1992 mit den Beratern des republikanischen Präsidenten George Bush über das Format der TV-Debatten diskutierte, schlug der demokratische Herausforderer eine Neuerung vor: Man solle doch Wählerinnen und Wähler ins Studio einladen und ihnen Gelegenheit geben, die Kandidaten zu befragen. Gesagt, getan. Das Bush-Lager willigte ein, weil Bush im Kontakt mit Wählern «richtig gut» sei, wie ein Vertrauter behauptete. Clinton aber war besser. Nachdem sich der 46-Jährige minuziös vorbereitet hatte, sprach er direkt zu den Fragestellern. Besonders gelungen war der Austausch mit einer Afroamerikanerin, die sich Sorgen um die Wirtschaft machte. Bush hingegen musste im Gespräch mit der Frau einräumen: «Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe – helfen Sie mir.» Dass der 68-Jährige dabei auch noch auf seine Uhr schaute, als hoffe er auf ein baldiges Ende der Debatte, machte seine Vorstellung nur noch schlimmer. (rr)

2012 Barack Obama gegen Mitt Romney

Barack Obama gegen Mitt Romney

Barack Obama gegen Mitt Romney

Keystone

Die Berater des Präsidenten waren der Verzweiflung nahe. Obwohl sie Barack Obama (51) regelrecht bekniet hatten, auf langfädige Erklärungen zu verzichten, klang der Demokrat während der Vorbereitungen auf die erste Fernsehdebatte wie ein pedantischer Anwalt. Abwechslungsweise wirkte er genervt oder gelangweilt, wütend über seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney (verkörpert durch den heutigen Aussenminister John Kerry) oder über die moderne Mediendemokratie. «Das ist dumm», sagte Obama. Seinen Beratern versicherte er aber: «Wenn es um die Wurst geht, packe ich es.» Doch das war ein leeres Versprechen. In der ersten Debatte wirkte Obama saft- und kraftlos. Der 65-jährige Romney hingegen war geschmeidig und agil. Unter den Demokraten brach Panik aus, während die Republikaner jubelten. Zwei Wochen später aber war alles ganz anders. Obama traf den richtigen Ton, und der kurze Frühling Romneys war zu Ende. (rr)