Deutschland
De Maizière in der Asyl-Misere

Unfähig und ohne Plan – die Vorwürfe an Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière sind happig. In der SPD fordern einige sogar schon den Rücktritt.

Christoph Reichmuth, Berlin
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Die Flüchtlingskrise bringt ihn ins Trudeln: Thomas de Maizière.Virginia Mayo/AP/KEY

Die Flüchtlingskrise bringt ihn ins Trudeln: Thomas de Maizière.Virginia Mayo/AP/KEY

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Thomas de Maizière (CDU) durchlebt schwere Wochen: «Wann beschleunigen Sie die Asylverfahren?», «Hat Ihre Behörde versagt?», «Haben Sie die Folgen der Flüchtlingskrise unterschätzt?» – so lauten die immergleichen, lästigen Fragen der Medienvertreter. Kein Wunder wirkt der deutsche Innenminister, der unter anderem für die Bereiche Asyl und Flüchtlingsschutz zuständig ist, bei öffentlichen Auftritten oft angespannt.

«Können nicht alle aufnehmen»

Nun steht de Maizière nach einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» abermals unter Beschuss. Darin spricht sich der Minister für feste europäische Asylquoten aus. Europa könne sich nicht abschotten, Deutschland und Europa könnten aber auch nicht «alle Menschen aus Krisengebieten und alle Armutsflüchtlinge» aufnehmen. «Der richtige Weg wäre, dass wir uns in der EU zu festen grosszügigen Kontingenten für die Aufnahme von Flüchtlingen verpflichten. Damit gäbe es einen legalen Weg der Zuwanderung nach Europa.» Die Flüchtlinge würden demnach nach einem festen Schlüssel auf die EU-Staaten verteilt werden. Seien die Kontingente ausgeschöpft, müssten die Flüchtlinge in die Ursprungsregion zurückgeschickt werden. «Wir müssen sicherstellen, dass sie in der Region, aus der sie kommen, sicher und ohne Verfolgung leben können.» Afrikanische Staaten oder Länder im Nahen Osten, in denen die Menschen in hoher Zahl Zuflucht suchen, müssten von Europa deshalb stärker finanziell unterstützt werden.

De Maizières Vorschlag überrascht nicht zuletzt deshalb, weil der CDU-Minister damit Angela Merkel widerspricht. Die Kanzlerin sagte noch vor wenigen Tagen, dass «das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte» keine Obergrenze kenne. Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel reagierte irritiert auf die Idee des Innenministers. «Ich habe es nicht verstanden, weil es ja das Gegenteil dessen ist, was die Kanzlerin zu Recht gesagt hat. Nämlich: Wer in Deutschland ankommt und Asyl beantragt, der braucht ein faires Verfahren.»

Rücktrittsforderung von der SPD

Die Kritik an de Maizière ist bislang vor allem aus dem Lager der Linkspartei und von den Grünen laut geworden. De Maizière habe die Flüchtlingskrise vollkommen unterschätzt, heisst es etwa. Bis im August ging der CDU-Minister von 450 000 Asylgesuchen 2015 aus, heute rechnet das Migrationsamt mit 800 000. Die personell massiv unterbesetzten Behörden reagieren überfordert auf die Flut der Anträge, mehr als 250 000 Asylanträge stapeln sich unbearbeitet auf den Bürotischen in den Migrationsämtern.

Nun schliesst sich mit dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Ralf Stegner ausgerechnet ein hoher Vertreter des Koalitionspartners SPD der Kritik an de Maizière an. Stegner monierte in einem Interview die Dauer der Asylverfahren von durchschnittlich 5,3 Monaten. Stegner fordert de Maizières Rücktritt, sollte er es nicht endlich schaffen, die Verfahren zu verkürzen. Immerhin bekam der Innenminister von Vizekanzler Gabriel umgehend Rückendeckung. «Ich halte das alles für Quatsch», sagte er, angesprochen auf Stegners Rücktrittsforderung.

Wie dem auch sei: Wie stark das Migrationsamt unter Druck steht, zeigte sich am Donnerstag der letzten Woche. Nach monatelanger Kritik war der Präsident des Bundesamtes für Migration, Manfred Schmidt, zurückgetreten. Möglicherweise war Schmidt bloss ein Bauernopfer, um de Maizière aus der Schusslinie zu nehmen. Immerhin kündigte gestern der neue Mann beim Bundesamt für Migration, Frank-Jürgen Weise, an, er wolle die Asylverfahren rasch beschleunigen. Erste Vorschläge will Weise bereits an diesem Donnerstag Bund und Ländern präsentieren.