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Kim Jong Un zementiert seine Macht und bekommt Besuch von Altstar Dennis Rodman. Dieser versteht sich als eine Art Botschafter und Wegbereiter für eine Annäherung zwischen Nordkorea und den USA. Das Aufeinandertreffen der beiden ist schlicht grotesk.
Basketball-Diplomatie – so bezeichnet Dennis Rodman seine Reisen nach Pjöngjang. Der ehemalige Star der US-Basketballliga NBA, der sich als Rebound-König und mit seinen waghalsigen Sprüngen unsterblich gemacht hat, reist einmal mehr nach Nordkorea: Nächste Woche will er zum dritten Mal in diesem Jahr seinen «Freund fürs Leben», den Diktator Kim Jong Un, besuchen und die nordkoreanische Basketball-Nationalmannschaft trainieren.
Bizarrer Höhepunkt: Für den – geschätzt – 31. Geburtstag des Diktators und Basketballfans ist am 8. Januar ein Spiel zwischen Nordkorea und einem US-Allstar-Team geplant.
Nachahmer der Geschichte
Der Diktator mag den US-Altstar für politische Zwecke missbrauchen und sich so einen Anstrich des Harmlosen geben, Rodman selber versteht sich vollen Ernstes als Wegbereiter für eine Annäherung zwischen den USA und Nordkorea. Als Vorlage dient Rodman die sogenannte Pingpong-Diplomatie: die Freundschaft zwischen einem amerikanischen und einem chinesischen Tischtennisspieler also, die im Jahr 1972 zu nichts weniger als einem Treffen von Nixon mit Mao geführt hatte.
Ob all dem Elend, welches das Regime über seine Bevölkerung bringt, scheint Rodman ahnungslos, wenn er sich wie im vergangenen September mit seinem Kumpel amüsiert und zurück in Amerika den sich wundernden Journalisten erklärt: «Nordkorea ist kein schlechtes Land. Ihr schreibt, wovon ihr hört. Aber ihr seht nicht, was ihr schreibt. Würdet ihr aber den Marschall treffen, dann könntet ihr sehen: Er ist ein sehr guter Mensch.»
Basketball Legende
Der 52-jährige Zwei-Meter-Hüne ist eine schillernde Figur der amerikanischen Sportgeschichte und einer der erfolgreichsten NBA-Spieler überhaupt. Insgesamt fünfmal wurde er in den Achtzigern und Neunzigern NBA-Champion, wovon zweimal mit den Detroit Pistons und dreimal mit den Chicago Bulls, an der Seite von Basketballlegende Michael Jordan.
Rodman selber hat als bester Rebounder NBA-Geschichte geschrieben. Das auffällige Erscheinungsbild, die Eskapaden auf oder neben dem Feld – stets war für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Schlagzeilen rissen nach dem Ende von Rodmans Karriere nicht ab: Mit Drogen- und Alkoholgeschichten machte er genauso von sich reden wie mit häuslicher Gewalt. Schrill war seine Beziehung zur US-Popikone Madonna.
«Unschicklich» in den Tod
Passend zu seinem Ruf als «Bad Boy» lancierte Rodman im laufenden Jahr einen Wodka mit dem Namen «Bad Ass». Bei seiner letzten Rückkehr aus Pjöngjang schnauzte er die Reporter in Peking mit Hinweis auf einen in nordkoreanische Gefangenschaft geratenen US-Bürger an: «Es ist mir egal, was ihr über mich denkt. Es ist nicht mein Job, Gefangene herauszuholen.»
Dass in der Woche vor Rodmans Rückkehr nach Pjöngjang bekannt wurde, dass sein Kumpel Kim Jong Un die langjährige Nummer zwei, den eigenen Onkel Jang Song Thaek, hinrichten liess, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Neben Landesverrat warf das Regime dem Fallengelassenen Drogenmissbrauch, einen «kapitalistischen Lebensstil» und «unschickliche Beziehungen zu Frauen» vor.
In Nordkorea wird nicht lange gefackelt. Kaum hat ein Militärtribunal das Urteil gesprochen, wird es schon vollstreckt - so zumindest lautet die Version der Staatspropaganda. Ihr zufolge haben die Militärrichter am frühen Freitagmorgen Jang Song Thaek, den Onkel von Kim Jong Un, wegen Hochverrats schuldig gesprochen. Kurze Zeit später hätten Soldaten ihn bereits hingerichtet.
Schon vor zwei Wochen?
Tatsächlich aber kursieren Gerüchte von Jangs Hinrichtung seit fast zwei Wochen. Eine offizielle Bestätigung blieb jedoch bis gestern aus. «Offensichtlich brauchte Kim Jong Un einige Tage, bis er seine Macht ausreichend gefestigt sah, mit dieser Nachricht an die Öffentlichkeit zu treten», vermutet der Nordkorea-Experte Sunny Lee.
Die Hinrichtung des Spitzenpolitikers Jang Song Thaek markiert einen Sturz, wie er in Nordkorea seit mehr als 50 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Dem 67-Jährigen wurde alles Erdenkliche vorgeworfen: Korruption, konterrevolutionäre Handlungen, Staatsverrat, Unterschlagung, Spielsucht, Drogenmissbrauch und «unschickliche Beziehungen mit Frauen».
Machtkämpfe innerhalb der Führung
Am schwersten wog der Vorwurf des Umsturzversuchs: Den Tod von Kims Vater Kim Jong Il im Dezember 2011 habe Jang als Chance gesehen, sich gegen seinen Neffen zu stellen und an die Macht zu kommen, hiess es gestern in einer Erklärung der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA. Daher sei er «für alle Zeiten ein Verräter an der Nation, schlimmer als ein Hund und verachtenswerter menschlicher Abschaum». Jang wird nachgesagt, er habe als «Graue Eminenz» seinem Neffen 2012 bei der Amtseinführung als Mentor gedient. Zudem half er dem jungen Diktator, die Armee unter Kontrolle zu bringen. Doch offensichtlich hatte der Onkel seinem Neffen zu viel hineingeredet. Der Nordkorea-Experte Victor Cha sieht in Jangs Hinrichtung ein deutliches Signal für heftige Machtkämpfe innerhalb der Führung.
Felix Lee, Peking