Deutschland
Der Chef gegen seine Partei: Kampf auf offener Bühne bei der AfD

Deutschlands Rechtspartei im Clinch: Jörg Meuthen kritisiert am Parteitag «Provokateure» in den eigenen Reihen.

Christoph Reichmuth aus Berlin
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AfD-Chef Jörg Meuthen beim Parteitag in Kalkar.

AfD-Chef Jörg Meuthen beim Parteitag in Kalkar.

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Etwa 500 Delegierte sind übers Wochenende ins nordrhein-westfälische Kalkar zum AfD-Parteitag gekommen, um ein neues Sozial- und Rentenkonzept zu verabschieden. Ein solches braucht die AfD, um gewappnet zu sein für das «Superwahljahr» 2021 mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl Ende September.

Doch statt in Einigkeit das neue Jahr anzugehen, offenbaren sich tiefe parteiinterne Gräben. Gestritten wurde vor allem über eine Rede, die der Co-Parteivorsitzende Jörg Meuthen am Samstag gehalten hatte. Die Ansprache des 59-jährigen Europapolitikers hatte es in sich. Er mahnte die AfD, sich zu mässigen und rief dazu auf, sich von der zunehmend durch Extremisten unterwanderten Coronaskeptiker-Bewegung zu distanzieren. «Wir werden nicht mehr Erfolge erzielen, in dem wir immer aggressiver, immer derber, immer enthemmter auftreten», rief er in den Saal.

«Wie pubertierende Schuljungen»

Meuthen kritisierte Vergleiche mit Hitlers Machtergreifung, in denen das Infektionsschutzgesetz auch aus den Reihen der AfD mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 verglichen wurde. An anderer Stelle spielte Meuthen auf den Vorfall von Mitte November an, als AfD-Abgeordnete rechte Störer in den Bundestag eingeschleust hatten. Diese Parteikollegen gefielen sich in der «Rolle des Provokateurs» wie «pubertierende Schuljungen.» Und nicht zuletzt auch an die Adresse von Co-Fraktionschef Alexander Gauland gerichtet, der Ende Oktober im Bundestag von einer «Coronadiktatur» gesprochen hatte, meinte Meuthen: «Wir leben nicht in einer Diktatur, sonst könnten wir diesen Parteitag heute auch kaum abhalten.»

Meuterei gerade so verhindert

Die Rede des Vorsitzenden sorgte bei einem Teil der Partei für Empörung. Auch der 79-jährige Gauland, der am Sonntag wegen eines Vorfalls ins Spital gebracht werden musste, wo er sich anscheinend gut erholte, bezeichnete die Ansprache im Anschluss als in Teilen «spalterisch», andere wollten per Antrag eine Aussprache über das «spalterische Gebaren» des Parteichefs erzwingen – was, wäre dieser Antrag durchgekommen, in einer Meuterei hätte enden können.

Meuthen agiert mit Blick auf die anstehenden Wahlen 2021 mit klarem Kalkül. Der Inlandsgeheimdienst prüft demnächst, ob er die Gesamtpartei wegen extremistischer Tendenzen genauer unter die Lupe nehmen wird. Eine solche Beobachtung hätte auf bürgerliche Wähler just im «Superwahl-Jahr» abschreckende Wirkung. Schon jetzt kommt die Partei in Umfragen auf magere Werte von unter 10 Prozent, Vorfälle wie die Einschleusung rechter Störer und die Nähe zu Reichsbürgern bei den Coronademos schaden der Partei bei bürgerlicher Wählerschicht zusätzlich.

Co-Parteichef Meuthen will der AfD nun ein freundlicheres Gesicht verleihen und Rechtsextremisten aus der Partei drängen, damit die Partei auch für die Mitte wählbar bleibt. Die Folge dieses Vorgehens ist eine sich vertiefende Spaltung zwischen dem gemässigten Flügel und den Rechtsaussen um Björn Höcke.