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Warum sich unter den Korrespondenten im Weissen Haus der Frust über Präsident Donald Trump breitmacht.
Mike Allen ist hier. Der einflussreiche Washingtoner Reporter, der nun für die Online-Publikation «Axios» schreibt, tauscht Nettigkeiten mit Jonathan Karl aus, der für den Fernsehsender «ABC» aus dem Weissen Haus berichtet. Unweit entfernt hält April Ryan Hof, eine streitbare Radio-Journalistin. Sie arbeitet für eine Gruppe von Radio-Sendern, die sich an ein mehrheitlich afroamerikanisches Publikum richten. Und ist das nicht Jim Acosta, der für den Nachrichtensender «CNN» die Geschehnisse im Weissen Haus festhält? Ausnahmsweise sitzt der Reporter, der aufgrund seiner bissigen Kommentare über Präsident Donald Trump auch unter Berufskollegen umstritten ist, ganz ruhig auf seinem Stuhl.
Anlass für dieses Stelldichein prominenter Köpfe: eine Mitgliederversammlung der «White House Correspondent Assocation» (WHCA) – der Standesorganisation der Journalistinnen und Journalisten, die hauptsächlich über das Weisse Haus berichten. Ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten will der abtretende Vereinspräsident Jeff Mason, der für die Nachrichtenagentur Reuters arbeitet, Zwischenbilanz ziehen. «Wir stehen vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen», lautet sein Fazit, das wie immer höchst diplomatisch formuliert ist.
Die grösste Herausforderung: der Präsident höchstpersönlich. Trump macht aus seinem Hass gegen die Arbeit traditioneller Zeitungen, Fernsehstationen und Radiosender keinen Hehl. Besonders häufig ins Visier nimmt er dabei den Nachrichtensender «CNN» («Fake News») sowie die beiden Tageszeitungen «New York Times» («Angeschlagen») und «Washington Post» («FAKE NEWS!»).
Diese Breitseiten sorgen im Journalistenkorps für Empörung und Unsicherheit. «Wie lange wird es dauern, bis ein Reporter verletzt oder getötet wird, weil Trump uns als Staatsfeinde beschimpft?», fragt Brian Karem, der für das Männermagazin «Playboy» aus dem Weissen Haus berichtet. Hinzu kommen die Schikanen im Weissen Haus – so sind die beiden Präsidentensprecher Sean Spicer und Sarah Huckabee Sanders dazu übergegangen, Fernsehkameras von der täglichen Pressekonferenz auszuschliessen, was die Arbeit der TV-Sender erschwert.
Jeff Mason macht in seinen Ausführungen deutlich, dass er mit diesen Entwicklungen nicht einverstanden ist und hinter verschlossenen Türen für die Interessen der WHCA kämpft. Gleichzeitig besitzt seine Organisation aber kein eigentliches Druckmittel: Über den Zutritt zum Weissen Haus entscheiden nicht die Abgesandten der Korrespondentenvereinigung, sondern die Angestellten des Weissen Hauses gemeinsam mit dem Secret Service.
In der Praxis führt dies dazu, dass alle Seiten ständig an der Arbeit der WHCA herummäkeln. Vertreter konservativer Publikationen, die in den Genuss einer Vorzugsbehandlung des Weissen Hauses kommen, sind der Meinung, die Korrespondentenvereinigung lehne sich zu stark aus dem Fenster. Aktivistische Journalisten wiederum sagen, die WHCA müsse sich schärfer gegen Restriktionen wehren.
So bringt der Yahoo-Korrespondent Hunter Walker zur Sprache, was hinter vorgehaltener Hand seit einigen Wochen diskutiert wird: ein Boykott der täglichen Pressekonferenz. Mason sagt, wiederum ganz diplomatisch, dass die WHCA dazu keine Position beziehe, eine «kollektive Protestaktion» sei Sache der einzelnen Nachrichtenorganisationen. «Unsere Arbeit ist es, unsere Arbeit zu tun.»
Mason sagt aber auch, dass die Korrespondenten-Organisation nicht der verlängerte Arm des Weissen Hauses sei. So weigere er sich beispielsweise, die Arbeit einzelner Journalisten zu kritisieren – obwohl das Weisse Haus ihn auch schon darum gebeten habe, eine entsprechende schriftliche Stellungnahme zu veröffentlichen.
Diese Enthüllung lässt selbst abgebrühte Reporter bass erstaunt zurück. Als eine Korrespondentin den Vereinspräsidenten um mehr Details bittet, druckst Mason etwas herum, bevor er sagt, er habe bereits genug verraten. Weitere Fragen über den Vorfall will der WHCA-Präsident nicht beantworten.
Und weil es sich hier um eine Versammlung von Korrespondenten handelt, die täglich mit den mauernden Pressesprechern des amerikanischen Präsidenten zu tun haben, ist im Publikum eine Stimme zu hören, die sagt: «Come on, Sean!» – als sei Jeff Mason vorübergehend in die Haut von Sean Spicer geschlüpft.