Peschmerga-Kommandant Sirwan Barzani über den Verlauf der Mossul-Offensive und die Zukunft des Landes.
Sirwan Barzani: Es waren unsere Peschmerga-Truppen, die in den letzten Jahren Frontpositionen auf einer Länge von über 100 Kilometern gehalten haben. Sie waren es auch, die die ersten Verteidigungslinien des IS in Norden und Osten von Mossul durchbrochen haben. Wir haben der irakischen Armee den Weg nach Mossul geebnet. In die Stadt selbst werden wir nicht eindringen.
Wenn von Osten, Süden und Norden angegriffen wird, dann könnte die Stadt in zwei Monaten fallen.
Es ist das erste Mal in der Geschichte des Irak, dass eine solche Offensive durchgeführt wird. Wir dachten, es wird schwierig. Aber bislang gibt es bei der Abstimmung unter den Irakern sowie mit der internationalen Koalition keine Schwierigkeiten.
Alles verläuft reibungslos. Vor allem die Elitetruppen der irakischen Armee und ihre sogenannte goldene Division machen gute Fortschritte. Das sind ausgezeichnete Soldaten.
Das stimmt. Wir stehen aber für weitere Aufgaben bereit, sollte uns die irakische Armee rufen.
Nein. Wir Kurden haben auf eine Einigung vor Beginn der Offensive gedrängt. Aber die Regierung in Bagdad sagte uns, dass für eine Einigung auch nach der Befreiung noch Zeit sei. Aus unserer Sicht ist dies ein Fehler. Denn ohne Einigung ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein neuer sogenannter «Islamischer Staat» entsteht.
Um dauerhafte Stabilität im Irak zu erreichen, müssen wir den Irak aufteilen. In mindestens drei Staaten. Weit über eine Million Menschen sind seit der Grenzziehung durch die Franzosen und Briten ums Leben gekommen. Über 200 000 davon waren Kurden. Diese alte Heirat funktioniert nicht mehr. Wir müssen die Realitäten sehen. In einem vereinten Irak, den die Regierung in Bagdad noch immer anstrebt, wird es niemals Frieden geben.
Ganz genau. Neben dem schiitischen und kurdischen irakischen Staat, die de facto ja schon bestehen, brauchen wir auch einen sunnitischen Staat Irak. Nur dann werden die Menschen dauerhaft in Frieden leben können.
In unserem irakischen Kurdistan werden die Rechte der Minderheiten akzeptiert. Wir haben 1,5 Millionen arabische Flüchtlinge, sunnitische Araber, aufgenommen. Probleme mit ihnen gibt es nicht. Sie sollen später selbst entscheiden, wo sie leben möchten. Sie können auch bleiben.
Das politische Oberhaupt wäre der jordanische König Abdullah.
Warum nicht? Amman ist schon seit Jahren die heimliche Hauptstadt der sunnitischen Iraker. Hunderttausende leben in der jordanischen Hauptstadt. Alle Clan- und Stammesführer haben dort grosse Villen, fühlen sich dort wohl. Alle wichtigen Entscheidungen der irakischen Sunniten werden in Jordanien getroffen.
Sobald Mossul befreit worden ist, müssen wir unsere Unabhängigkeit proklamieren.
Kämpfe um Mossul:
Wir wissen, dass es da unterschiedliche Meinungen gibt, ein klares öffentliches westliches Bekenntnis zu einem unabhängigen Kurdenstaat fehlt bislang. Aber wir haben zahlreiche informelle Zusicherungen erhalten. Auch der neue US-Präsident Donald Trump hat sich positiv hinsichtlich unserer Unabhängigkeit geäussert.
Natürlich werden in jedem Krieg Fehler gemacht. Auch von uns. Ethnische Säuberungen führen wir Kurden aber nicht durch. Es stimmt aber, dass wir sunnitischen Arabern aus Sicherheitsgründen nicht gestattet haben, in ihre bereits befreiten Dörfer zurückzukehren. Auch Kurden und Christen müssen noch warten. Viele Regionen sind noch vermint. Überall, das haben Sie bei Ihrem Frontbesuch selbst gesehen, gibt es noch Sprengfallen. Der Krieg, das dürfen Sie nicht vergessen, ist noch längst nicht zu Ende.