Jens Spahn
Der neue deutsche Gesundheitsminister sorgt bereits für Streit in der neuen Regierung

Die neue Bundesregierung hat ihren ersten Mini-Streit. Der Grund: zwei Äusserungen des umtriebigen Gesundheitsministers.

Christoph Reichmuth, Berlin
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Jens Spahn (37) Imago/photothek

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Vor knapp zwei Wochen hat die Grosse Koalition aus SPD und Union ihre Arbeit aufgenommen, ein Neuling in Merkels Kabinett hat bereits die Schlagzeilen dominiert: der 37-jährige Gesundheitsminister Jens Spahn.

Noch vor der Vereidigung durch den Bundestag sah sich Spahn mit der Forderung der Linkspartei konfrontiert, auf das Amt des Gesundheitsministers zu verzichten. Grund war ein Interview, das der als konservativ geltende CDU-Politiker einer Zeitung gegeben hatte. Darin äusserte er sich auch zum Zustand des Sozialsystems. Mit der Arbeitslosenunterstützung durch Hartz IV habe «jeder das, was er zum Leben braucht», sagte Spahn und fügte hinzu: «Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut.»

Bis heute hagelt es von Gewerkschaften und aus der politischen Linken Kritik an Spahns Einschätzung, er wird als «kaltherzig und abgehoben» beschimpft. Obwohl Spahn – nüchtern betrachtet – nichts Falsches gesagt hat. Hartz IV ist tatsächlich zumindest der Versuch einer Antwort des Staates auf das Armutsproblem.

Spahns Feststellung ist vielen in den falschen Hals geraten. Die Frage rund um Hartz IV hat nun längst eine Eigendynamik angenommen. Die mitregierenden Sozialdemokraten werben für ein «solidarisches Grundeinkommen», welches – jedenfalls für manche der Langzeitarbeitslosen – an die Stelle der Arbeitslosenunterstützung kommen soll. Die Idee dahinter: Langzeitarbeitslose sollen für gewisse Arbeiten, die «gesellschaftlich relevant sind», wie es heisst, ein Brutto-Grundgehalt von 1500 Euro monatlich anstelle der Hartz-IV-Leistung erhalten.

Werbeverbot für Abtreibung

Die Langzeitarbeitslosen würden also Tätigkeiten wie die Betreuung von Kleinkindern, von Senioren oder Flüchtlingen für ein fixes Grundgehalt übernehmen. Allerdings könnte eine solche Beschäftigung nur für einen Teil der Langzeitarbeitslosen angeboten werden. Konservative und Arbeitsmarktforscher warnen vor der Einführung eines solchen «solidarischen Grundeinkommens».

Wie dem auch sei: Kaum hat sich die Hartz-IV-Debatte von seiner Person gelöst, sorgte der Gesundheitsminister wenig später bereits für einen nächsten Sturm der Entrüstung. Abermals in einem Interview räsonierte der Katholik über die laut gewordene Forderung etlicher Frauen-Verbände, das Werbeverbot für Abtreibungen fallen zu lassen. «Mich wundern die Massstäbe», sinnierte Spahn, «wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos. Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht.» Der Koalitionspartner SPD reagierte mit heftigem Widerspruch.

«Wie unmündige Bürger»

Hintergrund von Spahns Äusserung: Im vergangenen November wurde eine Ärztin aus Hessen zu einer Geldstrafe verurteilt, weil diese unerlaubt Werbung für Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis gemacht hatte. Das Gericht berief sich auf den Paragrafen 291a, der «das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen» von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil untersagt. SPD, Grüne und Linkspartei machen sich nun für eine Streichung des Paragrafen stark, die FDP kann sich eine Reform vorstellen. Die Argumente der Gegner des Werbeverbotes: Dieses führe dazu, dass sich Frauen in Notlagen nicht ausreichend über Schwangerschaftsabbrüche informieren könnten.

Die Abtreibungs-Debatte führt zu einem ersten Mini-Streit in der Grossen Koalition. Die neue Bundesfamilienministerin Franziska Giffey von der SPD dringt vehement auf eine Reform des umstrittenen Paragrafen und stellt sich damit quer zu Kabinettskollege Spahn. «Das Recht auf Selbstbestimmung von Frauen, nicht nur bei der Heirat, sondern auch bei einer Schwangerschaft, hat für mich eine ganz hohe Priorität», sagte Giffey. Frauen in Ausnahmesituationen bräuchten Unterstützung und dürften nicht stigmatisiert werden. Die Union will indes am Werbeverbot nicht rütteln, vor allem die CSU beharrt auf der Beibehaltung des Paragrafen. Gesundheitsminister Spahn signalisierte zuletzt allerdings Kompromissbereitschaft, einer Lösung in dem Streit wolle er sich nicht verschliessen, sagte er.

Spahn ist geistig allerdings womöglich schon beim nächsten heissen Thema: Derzeit sorgt ein offener Brief an den CDU-Politiker für Diskussionen. Darin ruft eine Krankenschwester den neuen Minister eindringlich dazu auf, für ein Gesundheitssystem zu sorgen, «das endlich wieder menschlich» werde. Auf Spahns Replik darf man gespannt sein.