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An der Spitze Tschechiens steht ein selbst ernannter «Agent Putins». Wie Miloš Zeman das Land verändert.
«Narzisst». «Grosses Ego». «Ein bisschen peinlich». So sprechen Beobachter in Prag über den tschechischen Präsidenten Miloš Zeman. Der 72-Jährige ist bekannt dafür, dass er gerne trinkt. Und ab und zu beschwipst an Zeremonien erscheint. Zeman gilt als hochintelligenter Mann, sein Politstil ist aber umstritten. Früher war Zeman Sozialdemokrat. Danach gründete er seine eigene Partei. Weil diese erfolglos war, ist Zeman nun «Freelancer» – Parteiloser.
«Er ist ein linker Populist», sagt Robert Schuster, Politikwissenschafter aus Prag. «Gleichzeitig lehnt er linke Anliegen wie Umweltschutz oder Frauenrechte ab.» Weshalb der tschechische Präsident oft mit seinem Amtskollegen aus den USA verglichen wird. Genau wie Donald Trump sagt Zeman, Medien würden Lügen verbreiten. Oder dass muslimische Einwanderer gestoppt werden sollen. Und genau wie der amerikanische Präsident stand Zeman bereits mehrfach wegen seiner Verbindungen zum Osten in der Kritik.
Der tschechische Präsident bezeichnet sich selbst als «Agent Putins» und war als einziges europäisches Staatsoberhaupt an einer russischen Militärparade zum Gedenken des Weltkriegsendes anwesend. Sämtliche andere westlichen Politiker hielten das zu Zeiten der Krim-Krise für unangebracht. Zeman hat auch schon gesagt, die Krim stehe Russland und nicht der Ukraine zu. Zudem will er die europäischen Sanktionen gegen Russland abschaffen.
Die Verbindungen in den Osten pflegt Zeman auch im Regierungsgebäude in Prag: Dort geht ein reicher Russe ein und aus. Martin Nejedly ist der engste Berater Zemans. Und CEO der russischen Ölfirma Lukoil. Er gilt als dubiose Figur, weil er sich seit Jahren weigert, seinen Lebenslauf darzulegen. «Diese Beziehungen zu Russland bringen nicht Tschechien, sondern vor allem Putin Vorteile», sagt Mark Galeotti vom Institut für Internationale Beziehungen in Prag: «So kann Putin behaupten, er hätte europäische Unterstützer.»
Karel Schwarzenberg, tschechischer Parlamentarier und Zemans Gegenkandidat von 2013, sagt über Zemans Beziehungen zum Osten: «Es schmeichelt seiner Eitelkeit, wenn er in Moskau oder Peking als eines der wenigen Staatsoberhäupter auf der Festtribüne sitzt.» Zeman pflegt nämlich auch Beziehungen zu China. Vladimir Benacek von der Karls-Universität in Prag erklärt, Zeman habe früher als andere vorausgesehen, dass China in Europa investieren werde. Wobei China nicht mehr Geld in die Tschechische Republik gesteckt hat, seit Zeman Präsident ist. Es sollen viel mehr Firmen aus dem Bekanntenkreis des 72-Jährigen sein, die profitieren. Wie die Firma PPF von Petr Kellner, dem reichsten Tschechen. PPF soll der erste europäische Finanzkonzern sein, der in China zugelassen wurde.
«Herr Zeman berücksichtigt bedauerlicherweise mit seiner Aussenpolitik Menschenrechtsfragen praktisch überhaupt nicht», äussert sich Politiker Karel Schwarzenberg. Vielmehr führe der 72-Jährige das Land wie eine Firma. Eine weitere Parallele zu Trump.
Beim Volk kommt Zeman trotz all dieser Eigenheiten an. Er ist der erste Präsident der Tschechischen Republik, der direkt vom Volk gewählt wurde. Bereits 2003 wollte er Präsident werden. Damals wählten noch Parlamentarier das Staatsoberhaupt. Zeman schaffte es nicht. «Das Volk hat er aber überzeugt», so Jan Mladek, Sozialdemokrat und ehemaliger Handelsminister unter Zeman.
Die Bevölkerung ist seit dem Zerfall der Sowjetunion von 1989 gespalten. Damals wurde die kommunistische Regierung in der Tschechoslowakei nach Protesten abgelöst. Nur vier Jahre später teilten sich Tschechen und Slowaken. Das war jedoch kein demokratischer Entscheid, sondern eine Trennung, die von Politikern vollzogen wurde. Einige weniger gebildete und nach Osten ausgerichtete Slowaken befürworteten den Entscheid, da sie nicht länger von den «Akademikern» in Prag belächelt werden wollten. Und genau diese Tschechen waren froh, die Slowaken loszuwerden.
Die Trennung hinterliess Gräben: «In den Städten gibt es verschiedene Gruppen Intellektueller, die den Osten und deshalb auch Zeman nicht mögen», sagt Politiker Mladek. Dafür hat Zeman auf dem Land viele Anhänger. Politikwissenschafter Robert Schuster sagt: «Während seines Wahlkampfs hat Zeman viele kleine Dörfer besucht, in denen wahrscheinlich noch nie ein Präsident zu Gast war». Laut Benacek teilt nur ein geringer Anteil der Wähler die extremen Überzeugungen des 72-Jährigen. «Rund 80 Prozent seiner Unterstützer sind einfach froh, einen volksnahen Präsidenten zu haben.»
Was passiert, wenn Zeman bei den Präsidentschaftswahlen nächsten Januar wiedergewählt wird? Nicht viel, sagen die einen. Der Präsident habe in Tschechien sowieso nur eine symbolische Rolle. «Es wird wohl noch einige skandalöse Zeremonien geben», sagt Benacek und spricht dabei wieder die Alkohol-Vorliebe des Präsidenten an.
Auf der anderen Seite sagen Experten: Wird Zeman wiedergewählt, hält er sich wohl kaum zurück. Und wird Tschechien näher zum Osten bringen, weiter weg von Europa. «Tschexit» – also der Austritt Tschechiens aus der EU, wurde im Parlament bereits diskutiert. Im Juli wurde eine 13. Motion dazu abgelehnt.
Einig sind sich die Experten darüber: Ob Zeman, falls wiedergewählt, seinen Kurs weiterfährt, hängt vom Premierminister ab. Dieser hat viel mehr legislative Macht als der Präsident und wird diesen Oktober neu gewählt. Andrej Babis ist ein oft genannter Kandidat. Er ist der zweitreichste Tscheche und Mitglied der Partei ANO 2011 – eine Partei gegen «die politische Elite». Aufgrund seines Wohlstandes und der Macht als Premierminister sei Babis gefährlicher als Zeman, so Benacek. Sozialdemokrat Mladek ist sich sicher: Sollte Babis Premier werden, und Zeman wieder Präsident, «dann hat die Tschechische Republik ihren Trump».