Vor seiner heutigen Rede in New York sucht Putin nach weiteren Verbündeten. Seine Armee geht unterdessen bei Aleppo in die Offensive. Auch Frankreich greift erstmals IS-Ziele in Syrien an.
Mit dem Irak, dem Iran und mit Assads Rest-Syrien ohnehin ist sich Putin bereits einig. Die drei Länder werden sich einer vom russischen Militär geführten Allianz gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) anschliessen und ab sofort in Bagdad Informationen auf Generalstabsebene austauschen. Von der irakischen Hauptstadt aus, berichtet die Moskauer Nachrichtenagentur Interfax, sollen schon bald die gemeinsamen Militäreinsätze gegen den IS koordiniert werden. Auch Saudi-Arabien soll dem Bündnis beitreten.
Rund 30'000 ausländische Kämpfer haben sich laut einem Bericht der «New York Times» dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen. Demnach hat die Rekrutierung ausländischer Kämpfer durch den IS auch ein Jahr nach Beginn der Luftangriffe der US-geführten Koalition nicht nachgelassen. Einen Rückschlag verbuchten die USA zudem bei ihrem Versuch, mithilfe syrischer Rebellen den Kampf gegen den IS zu verstärken: Nach Angaben des Pentagons haben von den USA in der Türkei ausgebildete syrische Kämpfer einen Teil ihrer Ausrüstung dem Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front ausgehändigt. (SDA)
Der russische Staatschef, der heute in New York für eine internationale Bekämpfung des IS werben wird, telefonierte am Wochenende daher auch mit dem saudischen König Salman. Der Monarch versprach «effiziente Zusammenarbeit», ohne wirklich konkret zu werden. Vermutlich wird es bei Absichtserklärungen bleiben. Währenddessen schafft die russische Armee in Syrien täglich neue Fakten. Ohne Unterlass fliegen russische Antonow-Grossraumtransporter modernes militärisches Gerät nach Syrien. Mindestens 28 Kampfflugzeuge und 25 Transport- und Kampfjets befinden sich bereits auf dem zu einem Luftwaffenstützpunkt umgebauten Flughafen von Latakia. In wenigen Tagen rechnet der amerikanische Geheimdienst mit ersten russischen Angriffen auf IS-Stellungen in Syrien. Ein «symbolisches Bombardement noch vor Putins New Yorker Rede», mutmassen Militärbeobachter in Beirut, wäre keine Überraschung.
Russische Drohnen würden schon seit Tagen Ziele in Nord-Syrien auskundschaften. In einer Analyse für das «Carnegie Endowment for International Peace» geht der schwedische Terrorismus-Experte Aron Lund davon aus, dass die russische Luftwaffe zunächst eine vor einigen Tagen begonnene Offensive der Assad-Armee im Osten von Aleppo unterstützen wird. Ziel des Vorstosses ist es, den seit fast zwei Jahren vom IS belagerten Luftwaffenstützpunkt Kweiris freizukämpfen. Von der Basis aus könnten syrische und russische Kampfflugzeuge den IS effektiver bekämpfen als von Stützpunkten in Zentralsyrien.
Nach unbestätigten Berichten seien russische Kampfflugzeuge oder Helikopter in der Region von Aleppo schon zum Einsatz gekommen, schreibt Lund in seiner Analyse. Glaubt man dem Nachrichtenportal «The Arab Source», das mit dem Assad-Regime sympathisiert, aber syrische Verluste nicht verschweigt, sollen russische Militärberater das Kommando über die syrische Armeeoffensive bei Aleppo übernommen haben. Zusammen mit iranischen Revolutionsgardisten hätten russische Elitesoldaten auch Frontstellungen der syrischen Armee in den Bergen östlich von Latakia übernommen und so die überforderte Assad-Armee entlastet.
Die Begeisterung für das russische Militärengagement in Syrien ist aufseiten des Regimes offenbar so gross, dass das Staatsfernsehen inzwischen damit begonnen hat, Propagandafilme der Roten Armee auszustrahlen. Von Balalaikas begleitet, verherrlichen russische Soldatenchöre den Krieg. Ihre schwülstigen Lieder sind mit arabischen Untertiteln versehen.
Bereits am Donnerstag hat die französische Flugwaffe ihre ersten Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien geflogen. Wie der Élysée-Palast gestern bekannt gab, wurden Kommandozentren und Ausbildungslager in der IS-Hauptstadt Rakka bombardiert.
Premierminister Manuel Valls sprach zur Begründung für die Angriffe von «legitimer Selbstverteidigung», da der IS Anschläge gegen Frankreich vorbereite. Der französische Geheimdienstexperte Eric Dénécé sagte dazu, es sei «völliger Unsinn», zu behaupten, mit Luftangriffen könnten terroristische Verschwörungen verhindert werden. Statt «einiger symbolischer Luftangriffe» seien Bodentruppen erforderlich, um etwas zu bewirken. Der Öffentlichkeit werde «Sand in die Augen gestreut», kritisierte Dénécé.
Angesichts des verstärkten russischen Engagements in Syrien werde Paris nichts anders übrig bleiben, als die Angriffe mit Damaskus oder Moskau zu koordinieren, mutmasst die Zeitung «Le Monde» – und stellt fest: «Der Himmel über Rakka ist potenziell überfüllt.»