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Annalena Baerbock soll die Grünen ins Kanzleramt führen. Wenn sich die Konkurrenz weiter zerlegt, hat sie sogar gute Chancen, in Merkels Fussstapfen zu treten. Wer ist sie - und wie realistisch ist ihr Einzug ins Kanzleramt?
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Die 40-Jährige wurde - zusammen mit Robert Habeck - im Januar 2018 an die Spitze der Grünen gestellt. Die in der Nähe von Hannover auf einem Bauernhof aufgewachsene Völkerrechtlerin hat massgeblichen Anteil daran, dass die Zeit der «Flügelkämpfe» zwischen den «Realos» der Mitte und dem linken Parteiflügel der Vergangenheit angehören. Die Grünen treten seit 2018 geschlossen auf.
Baerbock - wie Habeck selbst Vertreterin des Realo-Flügels - ist erst 2005 der Partei beigetreten, arbeitete für eine Europaabgeordnete und sitzt seit 2013 im Bundestag. Über Regierungserfahrung verfügt sie nicht. Noch zu Beginn ihrer Zeit an der Parteispitze stand Baerbock im Schatten des populären Robert Habeck. Doch die Umfragewerte der zweifachen Mutter sind in den letzten Monaten landesweit deutlich gestiegen.
Bei der K-Frage hat auch der Frauen-Bonus - die Grünen verstehen sich als feministische politische Kraft - den Ausschlag für Baerbock gegeben. Sie wollte es genauso wie Habeck, hatte aber das Zugriffsrecht auf die Kandidatur. Doch Baerbock ist nicht nur Kandidatin, weil sie eben eine Frau ist: Sie gilt in Sachfragen als sattelfester als Robert Habeck.
Dass die Grünen bei den Bundestagswahlen im September als stärkste politische Kraft abschneiden, käme einem politischen Erdbeben gleich. Aktuell ist Merkels Union aus CDU und CSU nach wie vor stärkste Kraft. Entscheidend wird sein, wie sich die nächsten Wochen und Monate entwickeln.
Bekommt Deutschland die Coronapandemie nicht unter Kontrolle, dürften die Wählerinnen und Wähler die seit 16 Jahren regierende Union in Verantwortung ziehen. Zudem droht den Schwesterparteien CDU und CSU wegen der Kanzlerfrage - wird es CDU-Chef Armin Laschet oder doch CSU-Chef Markus Söder - die Spaltung. Schwächelt die Union, könnte dies die Grünen (derzeit 22 Prozent) und damit Annalena Baerbock direkt ins Kanzleramt führen.
Unter normalen Umständen wird die Union stärkste Kraft. Dann könnte es zu einem ersten schwarz-grünen Bündnis aus Union und Ökopartei kommen. Allerdings ist die Macht für die Grünen zum Greifen so nahe, dass sie eigene Ambitionen geltend machen dürfte: Die Partei dürfte sich die Frage stellen, warum sie sich als Juniorpartner hinter der Union einreihen soll, wenn sie selbst die Regierung stellen kann. Die Grünen dürften versuchen, selbst die Kanzlerin zustellen.
Umfragen sind volatil: Wenn sich die SPD (derzeit 15 Prozent) etwas aufrappelt und die FDP (derzeit um die 10 Prozent) zulegt, könnte es zu einer «grünen Ampel» aus Grünen, SPD und FDP reichen. Weniger wahrscheinlich ist ein links-grünes Bündnis aus Grünen, SPD und Linkspartei. In der Bevölkerung ist keine Wechselstimmung auszumachen. Gehen die Grünen mit der Absicht in die Wahlen, ein links-grünes Bündnis schmieden zu wollen, wird dies einen Lagerwahlkampf nach sich ziehen, bei dem die Ökopartei zu verlieren drohte.
Das ist abhängig vom Koalitionspartner. Mit einem Partner FDP werden es die Grünen beispielsweise schwer haben, die Gutverdiener - wie geplant - steuerlich stärker zu belasten. Allerdings dürfte der Klimaschutz ein stärkeres Gewicht bei einer grünen Regierung bekommen.
Die Grünen verlangen in ihrem Wahlprogramm ein «Klimaschutz Sofortprogramm». Ausserdem arbeitet die Partei an der Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen in Deutschland um 70 Prozent gesenkt werden, Kurzstreckenflüge innerhalb Deutschlands wollen die Grünen überflüssig machen und stattdessen das Angebot bei der Bahn ausbauen.