Die CDU setzt auf einen kompletten Neuanfang – und will sich eine neue Führung verpassen. Für die Parteiprominenz um CDU-Chef Armin Laschet bedeutet es das Ende an der Parteispitze.
Während die Wahlsieger SPD, Grüne und FDP in Berlin über ihre neue «Ampel»-Regierung sondieren, bleibt bei der CDU wenige Kilometer davon entfernt kein Stein auf dem anderen: Die Christdemokraten arbeiteten am Montag in einer Parteisitzung die Gründe für das historisch schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl auf.
24,1 Prozent, auf einen so mageren Wert kamen CDU und CSU bei einer Wahl noch nie. Es soll, hiess es danach, laut und hitzig geworden sein an der Sitzung.
Nun steht fest: Bei der CDU kommt es zum grossen Köpfe rollen. Bei einem Sonderparteitag soll der gesamte Parteivorstand neu gewählt werden. Das ist gleichbedeutend mit dem Aus für den gescheiterten Kanzlerkandidaten und CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. Der 60-Jährige hat allerdings bereits vorige Woche selbst erkannt, dass er sich kaum mehr an der Parteispitze wird halten können.
Laschet will den Prozess zu einer neuen Parteiführung selbst moderieren. Vorderhand darf der CDU-Chef also weitermachen. Damit hält er sich auch die Option des politischen Überlebens noch offen. Sollte die SPD mit ihren «Ampel»-Plänen scheitern, wäre die Union am Zug. Die würde versuchen, mit FDP und Grünen ein «Jamaika»-Bündnis zu schmieden. Mutmasslich mit Laschet an der Spitze.
Die CDU-Erneuerung soll so oder so stattfinden, ob die Partei nun in der Opposition landet oder doch noch in der Regierung. Der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann sagt:
«Wir müssen die Union auch ein Stück weit neu erfinden und neue Ideen entwickeln.»
Der 54-Jährige ist selbst Mitglied des CDU-Vorstands und wäre also Opfer von dem angeschobenen Erneuerungsprozess.
Offen ist, ob die Parteibasis - die CDU zählt über 400'000 Mitglieder - in den Erneuerungsprozess integriert wird. Das schwache Abschneiden der Union bei der Wahl wird auch damit begründet, dass die CDU-Parteielite die Wünsche der Parteimitglieder bei der Wahl des Spitzenpersonals zu wenig berücksichtigt hatte.
Hätte die Basis die Wahl gehabt, wäre Armin Laschet mutmasslich weder CDU-Chef noch später Kanzlerkandidat geworden - viele CDU-Mitglieder hätten sich den ehemaligen Fraktionschef Friedrich Merz an die Parteispitze gewünscht, im Frühjahr hätte bei einer Basis-Wahl zum Kanzlerkandidaten wohl CSU-Chef Markus Söder das Rennen gegen Armin Laschet gemacht. Der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten ist überzeugt:
«Wir brauchen eine Mitgliederbeteiligung, an deren Ende sich im Idealfall ein Stimmungsbild für eine Person herauskristallisiert, die ohne Kampfkandidatur zum Parteivorsitzenden gewählt werden kann.»
CDU-Spitzenpolitiker stehen einem Basis-Entscheid allerdings kritisch gegenüber. Bei einem knappen Entscheid für einen Kandidaten drohe der Partei eine Spaltung. Zudem könnten Kandidaten wie Friedrich Merz bei einem Basis-Entscheid das Rennen machen. Der 65-jährige Merz steht nicht für jene Erneuerung und Verjüngung, die die CDU nun explizit in die Wege leiten möchte. Denn im Gegensatz zu Grünen, FDP und SPD schnitt die Union gerade bei jüngeren Wählerinnen und Wählern schwach ab.
Als mögliche Chefs der CDU werden - neben Friedrich Merz - der Aussenpolitiker Norbert Röttgen oder der amtierende Fraktionschef Ralph Brinkhaus genannt. Allerdings stehen beide Politiker nicht für jene Verjüngung, die sich die CDU erhofft. Da würde der amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn besser in das Konzept passen.
Ob der 41-Jährige seinen Hut in den Ring wirft, ist noch unklar. Am 2. November will der CDU-Vorstand darüber entscheiden, ob und wie stark die Basis in den Prozess eingebunden wird. Die neue Parteispitze sollte dann auf einem Parteitag im Dezember oder Januar gewählt werden.
Oliver Krasser ist Vorstandsvorsitzender der CDU-Wietzendorf in der Lüneburgerheide in Niedersachsen. Mehr Parteibasis geht nicht. Das Gemeinderatsmitglied fordert, dass die CDU-Basis mitreden darf, wenn es um die Neuaufstellung der Partei geht.
«Die Basis hätte schon stärker integriert werden sollen, als es um die Wahl des Kanzlerkandidaten gegangen war», sagt Krasser im Gespräch mit CH Media. Der CDU-Politiker hofft, dass die Parteiführung den Mut aufbringen wird, die Mitglieder in den Erneuerungsprozess miteinzubeziehen.
«Wir brauchen jetzt eine
Urabstimmung der Parteimitglieder.»
Sobald der neue Parteichef gewählt sei, solle die Partei geschlossen auftreten. Denn was die CDU nun brauche, sei Ruhe und Einigkeit. «Wir müssen damit aufhören, alle Personalstreitigkeiten stets offen auszutragen.» Sobald eine Entscheidung gefallen sei, müsse diese von der gesamten Partei mitgetragen werden.