Der ehemalige Vizepräsident Dick Cheney rechnet in einem neuen Buch mit der Aussenpolitik von Barack Obama ab. Er wirft dem Demokraten einen Verrat an den Idealen der USA vor.
Dick Cheney kann Barack Obama nicht ausstehen. Der ehemalige Vizepräsident, der von 2001 bis 2009 unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush diente, gehört zu den hartnäckigsten Kritikern des Demokraten. Buchstäblich seit dessen Amtsübernahme wirft Cheney (74) dem Präsidenten vor, die Ideale der amerikanischen Republik zu verraten.
Nun hat der bärbeissige Ruheständler diese Kritik auf Buchlänge ausgewälzt, mit der Hilfe seiner Tochter Liz, mit der er bereits seine 2011 publizierten Memoiren verfasste. Die Kernthese des Buches, das den Titel «Exceptional» trägt und gestern in Amerika auf den Markt kam: Der Präsident verkörpert einen Bruch mit der amerikanischen Geschichte der letzten 70 bis 75 Jahre.
Konkret werfen die beiden republikanischen Falken dem Bewohner des Weissen Hauses vor, er habe die globale Führungsrolle Amerikas aufgegeben – mit fatalen Folgen für den Rest der Welt, der auf einen Weltpolizist USA angewiesen sei. Obama habe kein Interesse an einer säbelrasselnden Aussenpolitik. Denn er glaube nicht daran, dass Amerika eine Führungsrolle spielen solle und sich nötigenfalls mit Gewalt in die Angelegenheiten anderer Länder einmischen könne, schreiben die Cheneys.
In der Tat tut sich der Präsident vergleichsweise schwer damit, über den «American Exceptionalism» zu sprechen. Diese Bezeichnung, die heute Rechtsauslegern häufig als Kampfbegriff dient, beschreibt die einmalige Stellung der USA, die als Demokratie inmitten von Autokratien seit ihrer Gründung ein leuchtendes Vorbild sei. In den Augen vieler Amerikaner, darunter auch eine stattliche Zahl von Demokraten, ist Amerika «das grossartigste Land dieser Welt» – auch wenn die Zahl dieser Super-Patrioten stetig sinkt. (Im Jahr 2014 waren noch 28 Prozent der Amerikaner der Ansicht, Amerika sei weltweit die Nummer 1 – zehn Prozentpunkte weniger als im Jahr 2011, gemäss dem Forschungsinstitut Pew Research.) Obama hingegen bevorzugt einen differenzierteren Blick auf die Geschichte seines Landes. Natürlich sei er stolz auf Amerika, stolz auf die Führungsrolle der USA im Zweiten Weltkrieg, stolz darauf, dass Washington nicht einfach zuschaue, wenn im Rest der Welt Menschen abgeschlachtet werden, pflegt er zu sagen. Obama vertritt aber auch die Meinung, dass Amerika sich bei der Durchsetzung seiner Führungsrolle nicht nur auf die Streitkräfte abstützen dürfe. Und dass sich die USA auch mit ihren Fehlern konfrontieren müssen, Stichwort: Rassismus.
Die Weltanschauung der Cheneys hingegen ist simpler. Sie setzen sich in ihrem Buch dafür ein, dass amerikanische Kinder lernen, wie einmalig ihr Land ist. «Unsere Kinder müssen wissen, dass sie Bürgerinnen und Bürger des mächtigsten, besten und ehrenhaftesten Landes in der Geschichte der Menschheit sind» – ein Land, das heraussticht, und anderen Staaten überlegen ist. «Sie», die Kinder, «müssen wissen, dass sie Erbe eines grossen Vermächtnisses und einer grossen Pflicht sind», heisst es in dem Buch. Denn ohne Amerika sterbe auch die Freiheit.