Den Einfluss Brüssels eindämmen, die Euro-Mitgliedschaft beenden, die Rechte von Muslimen eingrenzen: Die AfD gibt sich am Wochenende ein Parteiprogramm.
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist ein wilder Haufen. Es gibt Exponenten wie Björn Höcke, die offen völkisch auftreten; es gibt den moderaten, konservativen und liberalen Flügel rund um Co-Vorstandschef und Wirtschaftswissenschafter Jörg Meuthen. Und irgendwo dazwischen findet sich die andere Parteivorsitzende, Frauke Petry.
Die Partei mit ihren 20 000 Mitgliedern, die in 8 von 16 Bundesparlamenten sitzt und in Umfragen landesweit auf 10 bis 13 Prozent kommt, versucht heute und morgen, die verschiedenen Strömungen unter einen Hut zu bringen, indem sie sich ein Parteiprogramm gibt. Es ist eine Art Auftakt zum Bundestagswahlkampf. Ob das bis morgen Sonntagabend gelingt, ist mehr als fraglich. Über 1000 Änderungsanträge finden sich zu den einzelnen Programmpunkten.
Ein Richtungskampf wie im Sommer 2015, als AfD-Gründer Bernd Lucke wegen des zunehmenden Einflusses des rechts-nationalen Flügels in der AfD entnervt den Bettel hinschmiss und die Partei verliess, soll in Stuttgart mit aller Kraft verhindert werden. Dabei ist die aktuelle AfD-Führung keineswegs viel gefestigter als vor einem Jahr. Führende AfD-Mitglieder wie Alexander Gauland und Beatrix von Storch grenzen sich immer öfter von Frauke Petry ab.
Petry hat sich schon öfter über mangelnden Rückhalt der Parteispitze beklagt. In einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagte Vorstandsmitglied Gauland, die AfD habe überhaupt kein Interesse, bald schon Regierungsverantwortung zu übernehmen. Dabei hatte Petry genau dies gefordert. Petry wiederum kündigte im Magazin «Stern» ihren möglichen Rückzug an, sollte der nationalkonservative Flügel den Takt in der Partei angeben. «Die AfD wird sich entscheiden müssen, wo sie hin will. Will sie eine konservativ-liberale oder eine nationalkonservativ-soziale Partei sein?», sagte Petry und sprach von der «roten Linie», deren Überschreitung sie nicht tolerieren würde. «Dazu gehört, dass man Gewalt ablehnt, dass man Rassismus nicht duldet.»
Gestern dann eine neuerliche Provokation von Führungsmitglied Gauland in Richtung Petry. Er stellte plötzlich infrage, dass die AfD im nächsten Jahr mit Petry als Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf ziehen werde. Das müsse «von einem Parteitag» entschieden werden. Dass es am Wochenende zum grossen Knall in der AfD-Führung kommen wird, ist aber unwahrscheinlich. Die Partei hat aus dem Streit mit Lucke gelernt.
Der Entwurf für das Parteiprogramm erinnert in einigen Punkten durchaus an die SVP. Die AfD fordert direkte Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild («das deutsche Volk ist ebenso mündig wie das der Schweizer»), etwa einen Volksentscheid zum Verbleib Deutschlands im Euro. Zudem findet sich viel Europa-Skepsis im Programm: «Wir lehnen die ‹Vereinigten Staaten von Europa› ebenso ab wie eine EU als Bundesstaat, aus der kein Austritt mehr möglich ist.» Gestärkt werden soll die traditionelle Familie. Die Geburtenrate der Deutschen müsse erhöht werden, statt auf Massenzuwanderung von Muslimen zu setzen, die viele Kinder in die Welt stellen.
Für Zündstoff sorgt vor allem der Umgang der Partei mit den Muslimen. Experten werfen der AfD vor, den Islam mit Einschränkungen und Verboten zu einer Religion zweiter Klasse degradieren zu wollen. Die umstrittenen Forderungen: Kein Bau von Minaretten, kein Muezzin-Ruf, Verbot von Niqab und Burka, Kontrolle von Predigern in den deutschen Moscheen. An der Hauptaussage wird sich sicherlich nichts ändern: Der Islam gehört nicht zu Deutschland, der politische Islam kollidiert mit dem deutschen Grundgesetz.