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Eine einzige Stimme entschied. Quim Torra wurde am Montag mit 66 Stimmen zum Präsidenten der katalanischen Regionalregierung gewählt.
Gegen ihn stimmten 65 Stimmen. Vier Abgeordnete enthielten sich. Im zweiten Wahlgang genügte die einfache Mehrheit. Damit ist ein Schritt getan, die Fremdverwaltung durch die spanische Zentralregierung aufzuheben. Madrid entzog der autonomen Region die Selbstverwaltung, nachdem dessen Parlament am 27. Oktober einseitig die Unabhängigkeit ausgerufen hatte. Torra machte gleich klar, dass die Zeiten des Carles Puigdemont, der dank seiner spektakulären Flucht aus Spanien bekannt wurde, noch nicht vorbei seien. Nach einem Dank an die Abgeordneten, die seine Wahl ermöglicht hatten, bedankte er sich bei Puigdemont, der die Zeremonie von Berlin aus per TV-Übertragung verfolgte.
Schon vor seiner Wahl macht der 55-jährige Vater dreier Kinder klar, dass er keine Alternative zu Puigdemont, sondern dessen Platzhalter sei. Am Samstag bewarb er sich mit den Worten «Unser legitimer Präsident ist Carles Puigdemont» für den Posten des Regierungschefs. Es gehe darum, das Mandat des 1. Oktobers umzusetzen. An diesem Datum führten die Katalanen letztes Jahr eine Volksbefragung durch. Über 90 Prozent der Teilnehmenden sprachen sich für eine unabhängige Republik Kataloniens aus. Das klare Resultat lag aber auch daran, dass der spanientreue Teil der Katalanen nicht zur Urne ging. Die Abstimmung war vom spanischen Verfassungsgericht für illegal erklärt worden.
Quim Torra besetzte bisher wichtige Positionen innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung. So war er etwa Präsident der Vereinigung Òmnium Cultural, welche die Demonstrationen der Separatisten mitorganisierte. Im Parlament ist Torra aber ein Neuling. Erst im Dezember ist er ins Parlament gewählt worden.
Als Puigdemont seinen Namen nach drei gescheiterten anderen Kandidaturen ins Spiel brachte, suchten seine politischen Gegner nach heiklem Material in seiner Vergangenheit. Fündig wurden sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dort äusserte sich Torra wiederholt abfällig und pauschalisierend über «die Spanier». Diese hätten etwa nur «das Ausplündern» im Sinn oder das Wort «Scham» aus ihrem Vokabular gestrichen. Als seine alten Tweets für Schlagzeilen sorgten, löschte er sie. In seiner gestrigen Rede vor dem Parlament entschuldigte er sich gar dafür.
Torra empfahl sich auch mit seiner beruflichen Erfahrung für den Posten des Präsidenten. Der Anwalt arbeitete lange beim Schweizer Versicherungskonzern Winterthur. Seine Karriere nahm nach der Übernahme durch den französischen Axa-Konzern ein jähes Ende, das er in einem Buch mit dem Titel «Schweizer Messerstiche» verarbeitet. Das autobiografische Werk bleibt eine Ausnahme. Lieber widmete sich Torra als Autor und Verleger historischen Figuren des katalanischen Separatismus.
In den Augen der spanischen Loyalisten ist Torra ein radikaler Separatist, den es zu denunzieren gelte. So kündigte die Führerin der liberalen Partei Ciudadanos, Ines Arrimadas, an, seine Äusserungen zu übersetzen, um deren «fremdenfeindlichen Inhalt» weltweit bekannt zu machen.
Doch die Kritik kommt auch von links. Die Bewegung Candidatura per l’Unitat Popular (CUP) hat ihm die Stimme gestern verweigert. Damit drückte sie ihre Skepsis gegenüber seiner abwartenden Haltung aus. Die Antikapitalisten wünschen sich konkrete Schritte in Richtung einer tatsächlichen Unabhängigkeit. Dennoch ermöglichte die Gruppe Torras Wahl, indem die vier Abgeordneten sich der Stimme enthielten. Torra mässigte zuletzt seinen Ton. Er richtete ein paar versöhnliche Worte auf Spanisch an die Bevölkerung und rief den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zum Dialog auf. Als Nächstes muss ausgerechnet der spanische König Felipe VI. dem Republikaner Torra formell die Einsetzung als Regionalpräsident bewilligen. Die Regierungsbildung soll dann am Donnerstag stattfinden.