Der Plan, Südtiroler zu Österreichern zu machen, stösst in Italien auf wenig Gegenliebe.
Nach der Vereidigung der österreichischen Regierung ist Werner Neubauer, der Südtirol-Sprecher der FPÖ, über den Brenner geeilt, um den Südtirolern die frohe Kunde zu überbringen: «Spätestens 2019 werden deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler die doppelte Staatsbürgerschaft beantragen können», sagte er. Das Angebot der Regierung richtet sich an rund 350 000 Bürger im italienischen Südtirol. Mit dem Doppelpass-Angebot wagt sich die Regierung in Wien auf heikles Terrain vor.
Barsche Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. «Hände weg von Südtirol!», protestierte etwa die Chefin der italienischen Splitterpartei «Fratelli d’Italia», Giorgia Meloni. Es sei unvorstellbar, dass ein Teil Italiens plötzlich von einer österreichischen Mehrheit bewohnt sein könnte.
Laut Antonio Tajani, dem italienischen Präsidenten des EU-Parlaments, würde die doppelte Staatsbürgerschaft in Südtirol die Spannungen nähren. «Die Ära des Nationalismus in Europa ist aber abgeschlossen», sagte Tajani.
In Rom übte man sich in Zurückhaltung. «Das ist eine Frage, die mit viel Feingefühl behandelt werden muss», erklärte Aussenminister Angelino Alfano. Er werde die Angelegenheit mit der österreichischen Regierung in Ruhe besprechen und dabei «die Interessen unserer Bevölkerung schützen».
Letztlich will man in Rom abwarten, wie sich Wien die Doppelbürgerschaft konkret vorstellt. Laut Experten müssten die österreichische Verfassung angepasst und Völkerrechtsverträge umgeschrieben werden. Die italienische Regierung weiss zudem, dass sie sich nicht in der Position befindet, den Österreichern Moralvorträge über Doppelbürgerschaften zu halten: Rom hatte vor Jahren selber Pässe an die italienischstämmige Bevölkerung in den Balkanstaaten und in Südamerika ermöglicht – nicht zur Freude der betroffenen Staaten.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich gestern versöhnlich: Die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft werde nur «in enger Zusammenarbeit mit der Regierung in Rom» erfolgen, erklärte er.