Krieg im Weltall
Eine Space Force für den Westen: Die Nato rüstet sich für den Krieg im All

Die Verteidigungsallianz gründet eine eigene «Space-Force». Die sechs wichtigsten Fragen und Antworten.

Remo Hess aus Brüssel
Drucken
Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein.

Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein.

Sebastian Kramer/DPA

Die Verteidigung des Westens findet nicht mehr bereits am Hindukusch statt, wie es der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck mit Blick auf den Afghanistankrieg einmal gesagt hat.

2020 richtet die transatlantische Verteidigung ihren Blick weiter, viel weiter. Genauer: in den Weltraum. Ein «Space»-Zentrum mit Sitz im deutschen Ramstein soll die Nato auf einen möglichen Krieg im All vorbereiten. Science-Fiction? Keineswegs. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

1. Welche Bedrohungen gibt es aus dem Weltraum?

Satelliten sind für die militärische Verteidigung zentral. Ohne sie wären die Nato-Armeen blind und taub. Aber auch für das zivile Leben sind Satelliten unabdingbar: Über sie laufen internationale Zahlungssysteme oder das GPS-Navigationssystem.

Wer den Westen angreifen will, muss daher seine Satelliten ins Visier nehmen. Zum Beispiel mit Raketen oder neuartigen Laserwaffen. Daneben stellen neue Hyperschallwaffen eine Bedrohung dar. Die extrem-­schnellen Raketen gleiten an der Erdatmosphäre entlang und gelten bislang als kaum abfangbar.

2. Wer ist bereits im Weltraum aktiv?

Die USA und China sowie Russland entwickeln offensive und defensive Systeme. Aber auch Indien hat im März 2019 bewiesen, dass es mit einer Rakete einen ausgedienten Satelliten abschiessen kann. 2019 hatte US-Präsident Donald Trump offiziell die «US Space Force» gegründet – und dafür nicht nur Respekt, sondern auch Spott geerntet.

Der Teilstreitkraft sind rund 16'000 Soldaten zugeteilt. Der Budgetantrag für 2021 beläuft sich auf 15 Milliarden Dollar. In Europa will Frankreich seine Stellung im All vorantreiben und beispielsweise Patrouillensatelliten entwickeln, die andere Satelliten schützen können. Das Wettrüsten ist im Gang.

3. Wie realistisch ist überhaupt ein Weltraumkrieg?

In naher Zukunft wird es sicher keine Laserkriege im All geben. «Wir wollen den Weltraum nicht militarisieren», betont Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Laut dem Weltraumvertrag von 1967, den auch Russland und China unterzeichnet haben, darf das All nur «zu friedlichen Zwecken» genutzt werden.

Nuklear- und anderen Massenvernichtungswaffen sind verboten. Verboten ist zudem die Einrichtung von extraterrestrischen Militärbasen, zum Beispiel auf dem Mond. In Bezug auf andere Waffensysteme bleibt der Vertrag aus der Zeit des Kalten Krieges aber vage.

4. Welche Aufgaben hat die Nato-Space-Force?

In einem ersten Schritt soll ein Zentrum auf dem Nato-Luftwaffenstützpunkt im deutschen Ramstein eingerichtet werden, wo die Weltraumüberwachung koordiniert wird.

Alle Informationen etwa über mögliche Bedrohungen für Satelliten werden da zusammenlaufen. Später könnte der Standort zur Kommandozentrale für Abwehrmassnahmen ausgebaut werden.

5. Warum kommt die Space-Force gerade jetzt?

Die Nato-Mitglieder hatten den Weltraum im vergangenen Jahr neben Boden, Luft, See und dem Cyberspace zu einem eigenen Operationsgebiet erklärt. Die Gründung einer Kommandostruktur ist der logische Schritt.

Bemerkenswert ist, dass der Standort Deutschland sein wird. Dem von US-Präsident Donald Trump befohlenen Abzug von fast 12000 US-Soldaten aus Deutschland würde so ein Kontrapunkt gesetzt.

6. Geht die Aufrüstung auch bei anderen Waffen künftig weiter?

Nach der Auflösung des INF- Vertrags zur Kontrolle der atomar bestückbaren Mittelstreckenraketen und des Austritts der Vereinigten Staaten unter Präsident Trump aus dem «Open-Sky»-Abkommen zur Luftüberwachung drohen die Fortschritte zur globalen Abrüstung der letzten Jahrzehnte, ­hinfällig zu werden.

Das letzte grosse Abrüstungsabkommen «New-Start» zwischen den USA und Russland, welches eine Begrenzung der Atomsprengköpfe vorsieht, läuft im Februar 2021 aus. In den vergangenen Tagen jedoch kam plötzlich Bewegung in die Sache. Moskau hat ein «Einfrieren» der Zahl seiner Sprengköpfe für ein Jahr angeboten. Die USA wollen nun «sofort» an den Verhandlungstisch zurückkehren.