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Die italienische Regierung sagt, «Autostrade per l’Italia» habe versagt. Die Firma droht mit Konsequenzen.
Die Ursache für den Brückeneinsturz ist noch nicht geklärt, doch der Umgangston wird rauer. «Es kann nicht sein, dass man Maut bezahlt und dann stirbt», sagte Luigi Di Maio, Chef der regierenden Fünf-Sterne-Bewegung. Er wiederholte die Vorwürfe der Regierung, die Betreibergesellschaft Autostrade per l’Italia sei an dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua schuld. Nach neusten Erkenntnissen kamen bei dem Drama mindestens 38 Menschen ums Leben. Die Suche nach Vermissten ging auch am Mittwoch weiter.
Die eingestürzte Brücke war Teil eines europäischen Fernstrassennetzes und unterlag besonderen Auflagen der EU. Die zuständige EU-Kommission wehrte sich am Donnerstag gegen die Vorwürfe von Innenminister Matteo Salvini, die Brüsseler Sparvorgaben seien für die marode Infrastruktur Italiens mitverantwortlich. Jeder EU-Staat könne politische Prioritäten im Rahmen der Haushaltsregeln selbst festlegen, so ein Kommissions-Sprecher.
Di Maio sagte in einem Interview, wenn die Betreiber der Autobahnen nicht in der Lage seien, ihre Aufgabe zu erfüllen, dann müsse der Staat die Autobahnen übernehmen. Selbst die Staatsanwaltschaft in Genua geht inzwischen davon aus, dass die Katastrophe kein zufälliges Unglück war.
Die Firma Autostrade per l’Italia wies alle Vorwürfe zurück. Man habe die 1967 fertiggestellte Morandi-Brücke wie gesetzlich vorgeschrieben alle drei Monate kontrolliert. «Wir haben korrekt gehandelt, was die Instandhaltung und die Überwachung der Brücke angeht.» Alle relevanten Unterlagen habe man der Staatsanwaltschaft übergeben.
Autostrade per l’Italia ist für gut die Hälfte der insgesamt 6000 privat betriebenen Autobahnkilometer in Italien zuständig. Der Mutterkonzern Atlantia kritisierte, die Regierung drohe mit einem Lizenzentzug, ohne eine Überprüfung der Unglücksursache abzuwarten. Der Aktienkurs von Atlantia war bereits am Dienstag eingebrochen und verlor am Donnerstag erneut mehr als 25 Prozent. Der Konzern warnte die Regierung, dass ein Ausstieg aus dem noch bis zum Jahr 2038 geltenden Vertrag hohe Ausgleichszahlungen zur Folge haben werde.
Regierungschef Giuseppe Conte hatte am Mittwoch verkündet, es seien bereits Schritte eingeleitet worden, um dem Unternehmen die Lizenz zu entziehen. Laut der Zeitung «La Repubblica» kämen auf den Staat Zahlungen in Höhe von 15 bis 20 Milliarden zu, auch wenn der Firma eine «schwere Schuld» nachgewiesen werden könnte.
Die Regierung hat für die Stadt Genua für zwölf Monate den Notstand ausgerufen. Dadurch sollen erste wichtige Massnahmen ergriffen werden können, um dem Ausnahmezustand zu begegnen. Fünf Millionen Euro Soforthilfe würden bereitgestellt, um die Sicherheit zu gewährleisten und den Betroffenen zu helfen.
Mehr als 600 Menschen sind derzeit obdachlos. Sie mussten ihre Wohnungen in den Häusern, die unter der Brücke stehen, aus Sicherheitsgründen verlassen. Für die 38 offiziell bestätigten Toten findet am Samstag in Genua eine Trauerfeier statt.