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Die republikanischen Kandidaten würden gerne über Inhalte sprechen. Doch es gibt kein Vorbeikommen am umstrittenen US-Präsidenten – noch weniger seit diesem Donnerstag.
Über seinen Parteifreund im Weissen Haus will Tim Hugo nicht sprechen. Er sei für lokale Angelegenheiten zuständig und – was sich in Washington abspiele –, «dafür habe ich kein Interesse», sagt der Republikaner, der seit 2003 im Abgeordnetenhaus von Virginia politisiert und in Richmond, der Hauptstadt des Bundesstaates, zu den einflussreichsten konservativen Volksvertretern gehört. Seine Wählerinnen und Wähler hielten es genauso, sagt der 56-Jährige. Wenn er von Haustür zu Haustür gehe, dann befasse er sich nicht mit Präsident Donald Trump und der Ukraine-Affäre, sagt Hugo, sondern er spreche über seine Ideen zur Bekämpfung des Menschenhandels oder die Schlaglöcher in den Strassen seines Wahlbezirks.
Dumm nur, dass sich dieser Wahlbezirk in den wohlhabenden Vorstädten von Washington befindet, in der Tausende von Menschen direkt oder indirekt für die Bundesregierung arbeiten oder sich ihr Brot im politischen Betrieb verdienen. An Trump gibt es in Fairfax Station, Clifton oder Centreville kein Vorbeikommen. Und dumm nur, dass Hugo am nächsten Dienstag, wenn Virginia über die (derzeit knappen) Mehrheitsverhältnisse in beiden Kammern des Parlaments in Richmond entscheidet, wiedergewählt werden will – just zum Zeitpunkt, in dem das Repräsentantenhaus in Washington sich damit beschäftigt, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten zu eröffnen.
Hugos Kontrahent jedenfalls, der Demokrat Dan Helmer (38), sagt, er werde ständig auf Trump angesprochen, vor allem von Angestellten der Bundesregierung. Die Leute seien zudem höchst aufgebracht, dass Hugo zwar behaupte, er interessiere sich nicht für nationale Politik, aber gleichzeitig eng mit Trump und seinen Verbündeten zusammenarbeite – Hugo hat sich mit Vizepräsident Mike Pence getroffen, im Frühjahr, bei dem auch die Ausgangslage in Virginia in der Präsidentenwahl 2020 besprochen wurde.
Nicht wenige Politbeobachter haben den Urnengang in Virginia bereits in den Rang einer Testwahl erhoben. Landesweit finden nur wenige Auseinandersetzungen mit überregionaler Ausstrahlung statt. Zum andern erhoffen sich die Auguren auch Rückschlüsse über die Befindlichkeit der politisch interessierten Bevölkerung in den politisch umkämpften urbanen Ballungsräumen – in den anonymen Vororten von Washington, Richmond und Virginia Beach. Einst schnitten Republikaner wie Ronald Reagan oder George W. Bush hier gut ab; im Zeitalter von Donald Trump fällt es konservativen Kandidaten aber zunehmend schwer, eine ausgebildete, urbane und wohlhabende Wählerschaft zu überzeugen.
Dazu passt: Trump betreibt in diesem Herbst zwar in Kentucky, Mississippi und Louisiana Wahlkampf. Er will sich aber nicht in die politische Auseinandersetzung in seiner Nachbarschaft einschalten, obwohl er sich regelmässig auf seinem Golfplatz in Virginia aufhält.
Die Demokraten hingegen setzen auf nationale Politprominenz, um unentschlossene Wählerinnen und Wähler in letzter Minute zur Stimmabgabe zu motivieren. So trat Kamala Harris, Senatorin aus Kalifornien und Präsidentschaftskandidatin, am letzten Sonntag an der Seite von Dan Helmer auf. Am gleichen Tag gab auch Amy Klobuchar ein Gastspiel an einer Wahlveranstaltung der Demokraten. Die Senatorin aus Minnesota, die sich ebenfalls um die Nomination zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten bemüht, befürchtet nicht, dass die Impeachment-Debatte den Wahlkampf in Virginia vollständig überschattet. Die Ukraine-Affäre führe «vielleicht dazu, dass die Stimmbeteiligung steigt».
(rru) Mit 232 zu 196 Stimmen hat das Repräsentantenhaus in Washington gestern erstmals formal den Ablauf des geplanten Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Donald Trump genehmigt. Das Resultat widerspiegelt den tiefen Graben zwischen den beiden Grossparteien: 231 Demokraten und 1 Parteiunabhängiger, der ehemalige Republikaner Justin Amash aus Michigan, stimmten mit Ja, während 194 Republikaner und 2 Demokraten – Jeff Van Drew aus New Jersey und Collin Peterson aus Minnesota – Nein sagten.
Die genehmigte Resolution regelt den weiteren Verlauf des Verfahrens und schreibt vor, wie die öffentlichen Anhörungen in der Ukraine-Affäre über die Bühne gehen sollen. Die Republikaner hatten zuvor eine solche Abstimmung gefordert; nach dem Votum nannte Trump das Verfahren aber einmal mehr «die grösste Hexenjagd in der amerikanischen Geschichte». In einem nächsten Schritt werden die Demokraten nun versuchen, der Bevölkerung darzulegen, warum sie der Meinung sind, dass Trump gegen seinen Amtseid verstossen hat. Dann wird das Repräsentantenhaus wohl noch vor Jahresende offiziell darüber abstimmen, ob der Präsident des Amtes enthoben werden soll. Sagt eine Mehrheit Ja, entscheidet der Senat über die Schuld oder Unschuld Trumps.