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Die herben Verluste der CSU könnten sich auf die Stabilität der deutschen Regierung in Berlin auswirken. Auch bei der SPD ist die Sorge gross: Der Partei droht die Bedeutungslosigkeit.
Am Ende konnte die CSU die Verluste doch noch ein wenig abfedern, vermutlich weil die vielen Unentschlossenen Experimente scheuten angesichts der Tatsache, dass Bayern so gut dasteht. Das Ergebnis von gut 37 Prozent bedeutet dennoch eine Klatsche historischen Ausmasses für die CSU, die seit 1957 ununterbrochen den bayrischen Ministerpräsidenten stellt und in 56 Jahren Regentschaft nur zweimal einen Koalitionspartner gebraucht hatte. Die CSU wird deutlich geschwächt weiterregieren dürfen, vermutlich weiterhin mit Ministerpräsident Markus Söder an der Spitze, neu aber in einem bürgerlichen Bündnis mit den Freien Wählern. «Wir nehmen das Ergebnis an, auch mit Demut, und wir werden aus dem Ergebnis auch Lehren ziehen müssen», sagte der 51-jährige Söder, der seit Frühling im Amt ist.
Welche Schlüsse die Partei aus den Wahlverlusten – vor fünf Jahren erreichte die CSU noch annähernd 48 Prozent der Stimmen – ziehen wird, bleibt offen. Genauso die Zukunft von Parteichef und Innenminister Horst Seehofer. Im Vorfeld der Wahlen gab es den Versuch der Partei, die Verantwortung für eine etwaige Wahlniederlage dem Innenminister anzulasten.
Seehofers Beliebtheit in der CSU hat zuletzt stark nachgelassen, vor allem seine wiederkehrenden Streitereien mit der Kanzlerin, etwa um die Rückführung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze, sind für viele in der Partei ausschlaggebend für die schwachen CSU-Werte. Seehofer seinerseits hatte stets betont, die Verantwortung für Bayern liege in der Hand des Ministerpräsidenten, er sei nicht bereit, seinen Posten zu räumen. Dabei blieb Seehofer auch gestern: «Ich werde meine Verantwortung weiterhin wahrnehmen», sagte der 69-Jährige, doch: «Natürlich wird es auch darauf ankommen, genau aufzuarbeiten, woran das Ergebnis liegt.»
So oder so – selbst im Falle, dass die Partei sich von Seehofer lösen möchte: Er ist bis Herbst 2019 als Parteichef gewählt. Für seine Absetzung bräuchte es einen Sonderparteitag. In der Aufarbeitung wird die CSU auch ihre Taktik hinterfragen, im Wahlkampf so stark auf das Thema Migration gesetzt zu haben. Damit spielte die CSU letztlich der AfD in die Karten. Die Rechtskonservativen konnten mit etwa 11 Prozent ihr Ergebnis von den Bundestagswahlen knapp nicht bestätigen, es zeigt sich, dass die Partei vor allem im Osten Deutschlands Zulauf hat.
Der Aufwärtstrend der Grünen, die mit rund 18 Prozent ihr bestes Ergebnis in Bayern einfuhren, ist auch auf Bundesebene zu beobachten. Die Ökopartei profitiert landesweit von der Strahlkraft ihres neuen Führungsduos Robert Habeck und Annalena Baerbock, zudem gelten die Grünen programmatisch als Gegenpol zur AfD. So auch gestern: Wer gegen die AfD ein Zeichen setzen wollte und mit der CSU unzufrieden war, wählte in Bayern in weiten Teilen die Grünen. Der Absturz der CSU passt auch in den Trend, dass Volksparteien an Wählergunst verlieren. «Die CSU ist jetzt ein Regionalmächtlein mit schwindendem bundespolitischen Einfluss», schreibt «Zeit online», auch die «Süddeutsche» sieht das Ende der CSU als Volkspartei gekommen: «Die alte CSU ist tot.»
Welche Auswirkungen das schwache CSU-Abschneiden auf die Politik der Bundesregierung hat, wird sich zeigen. Die CSU ging zuletzt öfters auf Konfrontation mit der CDU von Kanzlerin Angela Merkel. Unberechenbarer für diese wird vermutlich auch ihr zweiter Koalitionspartner, die SPD. Diese hat ihr Ergebnis von 2013 halbiert. Die massiven Verluste der Partei in Bayern, aber auch die deutlich sinkende Zustimmung auf Bundesebene wird die Nervosität in den Reihen der Genossen erhöhen.
«Sicherlich ist einer der Gründe für das schlechte Abschneiden der SPD auch die schlechte Performance der Grossen Koalition in Berlin», analysierte SPD-Chefin Andrea Nahles. Sie gerät in den eigenen Reihen zunehmend unter Druck. Nur zähneknirschend willige die SPD-Basis im Winter der Koalition mit Merkel ein; angesichts des Wählerschwundes dürften die Stimmen lauter werden, die fordern, dass die SPD die Grosse Koalition verlässt. Dann könnte die Ära von Kanzlerin Merkel vorzeitig enden. Partei-Vize Ralf Stegner vom linken Flügel gab am Abend auf Twitter schon mal die Richtung vor: «Es gibt keinen Grund, um jeden Preis an der GroKo festzuhalten. Einfach weiter so ist keine Option.»