EU hadert mit Migrationslösungen

Die Idee von EU-Asylzentren ausserhalb der Unionsgrenzen gewinnt
an Zuspruch. Doch wie dies umgesetzt werden soll, weiss (noch) niemand.

Remo Hess, Brüssel
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Das seit Tagen blockierte Rettungsschiff Lifeline mit über 200 Flüchtlingen durfte gestern in Malta anlegen. Bild: Domenic Aquilina/EPA (27. Juni 2018)

Das seit Tagen blockierte Rettungsschiff Lifeline mit über 200 Flüchtlingen durfte gestern in Malta anlegen. Bild: Domenic Aquilina/EPA (27. Juni 2018)

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat ein Händchen dafür, stets den richtigen Ton zu treffen. So auch dieses Mal: «Immer mehr Menschen glauben, dass illegale ­Migration nur von harten, antieuropäischen und antiliberalen Kräften zu stoppen ist. Wenn Menschen das glauben, werden sie auch alles andere glauben, was sie sagen. Es steht viel auf dem Spiel. Die Zeit ist knapp.»

Es ist eine klare Botschaft, die Tusk in seinem Einladungsschreiben für das morgige Gipfeltreffen der EU-Staats- und -Regierungschefs in Brüssel aussendet: Die EU muss die Migration in den Griff bekommen, ansonsten drohen EU-kritische Parteien wie Front National und Lega in Europa die Macht zu übernehmen. Aber wie soll das geschehen? In den Vordergrund rückt immer mehr die Idee, in internationalen Gewässern gerettete Flüchtlinge zurück nach Nordafrika zu bringen. Im Entwurf der Gipfelerklärung ist von «regionalen Ausschiffungsplattformen» die Rede.

Türkei-Deal als Vorbild

Das bringt jedoch einen ganzen Haufen praktischer und juristischer Probleme mit sich. Allen voran die Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips der Genfer Flüchtlingskonvention, welches verbietet, einen Menschen an einen Ort zurückzuschicken, wo ihm Folter oder sonstige Gefahr an Leib und Leben droht. Das vom Bürgerkrieg zerrüttete Li­byen, von wo die meisten Migranten übers Mittelmeer kommen, würde schon mal wegfallen. Die andere Frage wäre, wie mit Asylanträgen umgegangen würde. Für die EU müssten zwingend das internationale Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration den Lead haben. Sie würden entscheiden, wer akut schutzbedürftig ist, wer zur Behandlung seines Antrags nach Europa gebracht und wer wegen fehlendem Anspruch bei der Rückreise unterstützt werden soll.

Als Referenzpunkt wird der EU-Türkei-Deal von 2016 bemüht. Dieser sieht vor, dass auf den griechischen Inseln ankommende Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt werden und die EU dafür Personen in derselben Anzahl direkt aus der Türkei aufnimmt. Der Clou: Allein dieser Mechanismus hat dazu geführt, dass das Geschäftsmodell der Schlepper zerstört wurde. So zumindest sieht es ein hoher Beamter aus dem Umfeld von Ratspräsident Tusk. Die Hoffnung ist, dass das auf der Mittelmeerroute ähnlich sein wird. Klarer ist die ­Situation von Migranten, die in europäischen Hoheitsgewässern gerettet werden. Sie müssen nach geltendem Recht nach Europa gebracht werden. Um zu verhindern, dass sie abtauchen, kursiert der Vorschlag, vermehrt geschlossene Asylzentren einzurichten. Solche Hot Spots existieren bereits in Griechenland und Italien. Jedoch ist die Bereitschaft der Mittelmeeranrainer gering, zusätzliche Zentren zu schaffen.