Startseite
International
Die PR-Agentur des ehemaligen «BILD»-Chefredakteurs arbeitet auch für Ursula von der Leyen. Das Mandat sei «privat», heisst es bei der EU-Kommission. Lobbywächter kritisieren das Verhältnis als intransparent.
In Sachen Social-Media ist EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Meisterin: Ihre kleinen Videos und Twitter-Nachrichten kommen hochprofessionell daher. Kein Augenaufschlag, der nicht perfekt getimt wäre. Ihre Mitarbeiter legen höchsten Wert darauf, dem öffentlichen Bild der Chefin den rechten Dreh zu geben.
Aber auch auf externen Rat greift von der Leyen zurück. Sie erhält ihn von der Berliner PR-Agentur «Story Machine» des ehemaligen «Bild»-Chefredakteurs Kai Diekmann. Er hat das Start-Up 2017 mit ex-«Stern.de»-Chef Philipp Jessen und dem PR-Profi Michael Mronz, ehemaliger Lebensgefährte des verstorbenen FDP-Aussenministers Guido Westerwelle, gegründet. Mronz und von der Leyen sind sich auch privat bekannt: Beide sind sie in der Pferdeszene aktiv.
Offiziell ersichtlich ist die Tätigkeit von «Story Machine» ist allerdings nirgends. Basis sei ein Vertrag, den die Kommissionspräsidentin «in privater Kapazität» abgeschlossen habe, heisst es bei der EU-Kommission. Das Arrangement datiere noch aus der Zeit der überraschenden Ernennung von der Leyens zur Chefin der EU-Kommission, als innert Tagen ein professioneller Social-Media-Auftritt habe organisiert werden müssen.
Die Kosten für die Beratertätigkeit will man nicht beziffern, sie seien aber «nicht nennenswert» und würden von der Kommissionspräsidentin aus dem eigenen Sack bezahlt. Ohnehin sei «Story Machine» an keinen operativen oder inhaltlichen Arbeiten beteiligt, heisst es. Von der Leyen erhalte lediglich «alle paar Wochen» ein schriftliches Feedback zu ihrem Social-Media-Auftritt. Wurde ein Foto aus der guten Perspektive geschossen? Wurde der Hashtag richtig gesetzt? Was kann man besser machen? Der Blick von aussen halt. Alles halb so wild.
Nicht wirklich, findet Olivier Hoedeman vom «Corporate Europe Observatory», einem Brüsseler Lobbywächter, der den EU-Institutionen auf die Finger schaut. Ungeachtet, ob hier ein formeller Regelverstoss vorliege oder nicht: Dass die EU-Kommissionspräsidentin privat eine PR-Agentur engagiere und deren Dienste selbst bezahle sei «sehr merkwürdig».
Die EU-Kommission verfüge über ein Netz an Spezialberater, die für die Präsidentin oder ihre Kommissare arbeiten. Dort könne man ernennen, wen man wolle. Das könne bezahlt oder unbezahlt geschehen, regelmässig oder bloss auf Abruf. Klar sei jedoch, dass diese Berater-Engagements gewissen Transparenzregeln zu folgen hätten. Hoedeman: «Von der Leyen erweckt den Eindruck, dass sie diese Regeln umgehen will».
Einen schalen Beigeschmack wittert auch Sven Giegold, Chef der deutschen Grünen im EU-Parlament und Transparenz-Vorkämpfer. Die Tatsache, dass es keine offiziellen Infos über die Art und Kosten der Dienstleistung gebe, könne den Verdacht erwecken, dass es sich hier um «gesponserte Präsidentin» handle, so Giegold. Er fordert von der Leyen auf, den privaten Beratervertrag aufzukündigen.
Dies umso mehr, als die Kommissionspräsidentin bereits eine Vorgeschichte im Umgang mit externen Beratern habe. Giegold spielt auf die sogenannte «Berateraffäre» an. In ihrer Zeit als Armee-Chefin wurden im deutschen Verteidigungsministerium millionenschwere Berater-Aufträge freihändig und ohne öffentliche Ausschreibung vergeben. Ein Spezial-Ausschuss des Bundestages untersucht die Sache bis heute.
«Story Machine» selbst ist in den letzten Tagen unfreiwillig in die Schlagzeilen geraten. Dies im Zusammenhang mit einer umstrittenen Corona-Studie des deutschen Virologen Hendrick Streeck. Der Forscher riet nach einer Feldstudie im besonders betroffenen deutschen Landkreis Heinsberg zu umgehender Lockerung der Corona-Massnahmen. «Story Machine» war für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich, welche sie unter dem Schlagwort #Heinsbergprotokoll mit zahlreichen Videos und Online-Beiträgen begleitete.
Beobachter kritisierten im Nachhinein die Vermischung von journalistischen Inhalten mit PR und mangelnde Transparenz. Ausserdem steht im Unklaren, wer die Geldgeber hinter der Studie waren und ob eine mögliche Einflussnahme von Wirtschaft oder Politik vorliegt.