Brisant
EU-Präsidentin Ursula von der Leyen: PR-Beratung als «Freundschaftsdienst»?

Laut EU-Kommission bezahlt Präsidentin Ursula von der Leyen für ihre private PR-Beratung eine «nicht nennenswerte» Summe. Doch für ähnliche Dienstleistungen fallen in der Branche schnell mehrere tausend Euro an, sagt ein Experte. Aus dem EU-Parlament werden Stimmen laut, die nun Aufklärung verlangen.

Remo Hess aus Brüssel
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Offene Fragen zu ihren PR-Berater: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Offene Fragen zu ihren PR-Berater: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Olivier Hoslet / Pool / EPA

Ihren Auftritt in den sozialen Netzwerken nimmt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sehr ernst. Gerne lässt sie sich dazu auch extern beraten. Namentlich von der PR-Agentur «Story Machine» des ehemaligen Chefredakteurs der «Bild»-Zeitung Kai Diekmann, wie die CH-Media-Newsportale berichteten.

Wie viel das Engagement Frau von der Leyen kostet, ist unbekannt. «Privatsache», heisst es dazu bloss von der EU-Kommission. Es handle sich aber um eine «nicht nennenswerte Summe», die dem «äusserst überschaubaren Umfang» der Dienstleistung entspreche.

Wenig Geld für wenig Beratung also.

Ex-«Bild»-Chefredaktor Kai Diekmann, hier bei einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag» Ende 2015.

Ex-«Bild»-Chefredaktor Kai Diekmann, hier bei einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag» Ende 2015.

Mathias Marx / MAN

Nur: In der PR-Branche würde ein Service, wie von der EU-Kommission beschrieben, schnell eine ordentliche Summe Geld kosten. Genauer: «Mehrere Tausend Euro», wie Alexander Güttler von der Düsseldorfer PR-Agentur «komm.passion» schätzt. Seine Analyse im Auftrag von CH Media basiert auf der Beschreibung der EU-Kommission, wonach «Story Machine» die «Reichweite und Anmutung» der Twitter-Beiträge sowie Faktoren wie «Bild- und Videoanteil, Verlinkungen und Schlagwortsetzung» auswerte. Von der Leyen erhalte dazu einen «Blick von aussen» im Sinne eines Coachings, so EU-Kommissionssprecher Eric Mamer.

4000 Euro und mehr

«Alles, was über das rein maschinelle Herauslesen von Kennzahlen hinaus geht, ist arbeitsintensiv», sagt Güttler, der auch einen Lehrauftrag in PR und Journalismus an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen wahrnimmt. Eine qualitative Analyse nach den oben genannten Kriterien plus Handlungsempfehlungen koste bei marktüblichen Tagessätzen ungefähr 4000 Euro aufwärts.

Aufs Jahr hoch gerechnet würde sich von der Leyen unter diesen Annahmen die Image-Beratung demnach rund 35 000 Euro kosten lassen. Ob die Preisgestaltung von «Story Machine» tatsächlich dieser Schätzung entspricht, kann Güttler nicht sagen. Es gebe in der Branche kein Kartell und jeder könne seine Preise setzen, wie er will. Für eine Stellungnahme war «Story Machine» selbst nicht zu erreichen.

Die EU-Kommission will sich auch nach wiederholter Anfrage weder zu Kosten noch zum Leistungsumfang der Zusammenarbeit mit «Story Machine» detailliert äussern. Der Vertrag sei privat und keine EU-Regeln würden verletzt, betont Kommissionssprecher Mamer.

Lobby-Spezialistin sieht Gefahr von Interessenkonflikten

Für Nina Katzemich vom deutschen Verein «Lobbycontrol» mag das Arrangement formell zulässig sein. Die mangelnde Transparenz sei aber trotzdem ein Problem. Sie führe zu Spekulationen, aus welchen Gründen sich von der Leyen privat beraten lasse, während ihr ein ganzer Stab an Kommunikationsfachleuten zur Verfügung stünde.

Heikel könne es werden, wenn Frau von der Leyen von einer geldwerten Leistung profitieren würde, die deutlich unter Preis liege. Katzemich: «Das wäre dann im Wesentlichen ein Geschenk, was umgehend die Frage aufwirft, wie es erwidert würde.»

Dass Kai Diekmann als ehemaliger Intimus von Einheitskanzler Helmut Kohl eine gewisse Nähe zu von der Leyens CDU-Partei aufweise, sei zwar bekannt. Aber mutmassliche «Freundschaftsdienste» hätten auf diesem hohen politischen Niveau nichts verloren. Schliesslich gehe es auch darum, Interessenskonflikte zu vermeiden, die sich durch andere Kunden von «Story Machine» ergeben könnten, falls diese eigene europapolitische Anliegen hätten, so Lobby-Spezialistin Katzemich.

EU-Kommission sollte Transparenz schaffen: EU-Parlamentarier Daniel Freund.

EU-Kommission sollte Transparenz schaffen: EU-Parlamentarier Daniel Freund.

Screenshot Twitter @daniel_freund

Das sieht auch Daniel Freund, grüner EU-Parlamentarier und ehemaliger Büroleiter von «Transparency International» so. Freund: «Wenn Frau von der Leyen diesen Vertrag weiterführen möchte, müsste er nach den EU-Regeln ordentlich ausgeschrieben und 'Story Machine' im Transparenzregister eingetragen werden.» Es müsse alles getan werden, um Transparenz zu schaffen und jegliche Spekulationen über mögliche Freundschaftsdienste zu verhindern.

Um mehr Informationen über die Zusammenarbeit von Story Machine mit von der Leyen zu erhalten, hat Freund nun schriftliche Fragen bei der EU-Kommission eingereicht.