In Deutschland, Norwegen und Dänemark planen die Regierungen, Asylbewerber und Flüchtlinge zukünftig besser überwachen zu können. Mittels neuen Gesetzen sollen Polizisten Handys und Computer knacken dürfen. Datenschützer äussern Bedenken.
Die deutsche Regierung will Zugriff auf die Handydaten von Asylbewerbern. Dank eines kürzlich verabschiedeten Gesetzesentwurfs sollen die Behörden so in Zukunft Klarheit über Identität und Herkunft von Personen erhalten. Norwegens Regierung gab gestern dasselbe Vorhaben bekannt, und das dänische Einwanderungsministerium will Zugriff auf Handys oder Computer von Flüchtlingen. Diese und der damit verbundene Zugriff auf Konten in sozialen Medien böten eine gute Möglichkeit, die Angaben von Asylbewerbern zu überprüfen, erklärte die dänische Einwanderungsministerin Inger Stöjberg. Datenschützer melden Bedenken an, ob solche Massnahmen rechtlich zulässig seien.
Bisher ist es der Polizei nur mit einem Richterbeschluss möglich, Handys zu knacken. Und auch dann bestehen erhebliche technische Probleme, da viele Inhalte verschlüsselt sind und das Gerät oft mit einem Passwort geschützt ist. Verrät der Besitzer dieses nicht, können forensische Software oder Hacker-Experten helfen, was aber teuer und zeitaufwendig ist. Dies führte 2016 zum berühmten Zwist zwischen dem FBI und Apple, weil Ermittler das iPhone des mutmasslichen Attentäters von San Bernardino nicht öffnen konnten – und der Hersteller auf die verschlüsselten Inhalte keinen Zugriff hat. Schliesslich bezahlte das FBI einen Millionenbetrag an eine Sicherheitsfirma, die das Telefon hacken konnte.
In Norwegen haben Polizisten bereits in zwei Fällen Gewalt angewendet, um an Handydaten zu kommen. Dabei ging es nicht um Passwörter, sondern um per Fingerabdruck verschlossene Handys. Um einen mutmasslichen Kinderschänder zu überführen, fackelten Osloer Ermittler nicht lange und drückten dem Verdächtigen den Finger mit Gewalt auf dessen Smartphone. Die Staatsanwältin Cecilie Gulnes verteidigte das Vorgehen gegenüber dem Fernsehsender NRK: «Wir konnten junge Opfer identifizieren und die Anklage ausweiten. Wir haben damit einen Serientäter gestoppt.»
Norwegens oberstes Gericht hat das Vorgehen der Polizei allerdings in einem ähnlich gelagerten Fall kurz danach für illegal erklärt. Die Richter befanden, es handle sich nicht um dasselbe wie eine Leibesvisitation oder eine Hausdurchsuchung; der Beschuldigte könne nicht gezwungen werden, ihn möglicherweise belastende Informationen auf seinem Telefon preiszugeben. Die Polizei in Oslo verwendet nun die Smartphone-Beweise vorerst nicht für ihre Anklage, will aber laut Staatsanwältin Gulnes vor Gericht weiter dafür kämpfen.
Teure, technisch anspruchsvolle Hacker-Methoden sind in Norwegen kein Thema. Stattdessen dürften die Gesetze geändert werden. Smartphones seien zunehmend in Kriminalität involviert, sagte der Osloer Polizeichef und forderte neue Instrumente. Die Regierung bereitet nun eine weitgehende Gesetzesrevision vor, die Verdächtigte verpflichtet, der Polizei Zugang zu ihrem Telefon zu gewähren. Im Justizministerium geht man davon aus, das Strafgesetz in wenigen Monaten anpassen zu können. (nak)