Papstrücktritt
Ex-Schweizer-Gardist: «Ein ehrlicher Mensch hat im Vatikan keine Chance»

Der ehemalige Wachtmeister der Schweizer Garde Martin Utz lebt seit 1968 in Rom - 1978 schob er an beiden Konklaven Wache. Heute führt er Touristen durch den Vatikan. Als Auslöser für den Rücktritt von Benedikt XVI. vermutet er Intrigen.

Daniel Fuchs
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Martin Utz führt heute Touristen durch den Vatikan

Martin Utz führt heute Touristen durch den Vatikan

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Martin Utz, Sie sind seit 45 Jahren in Rom. Zuerst als Schweizer Gardist, seit 1995 führen Sie Touristen durch den Vatikan. Was löste der Rücktritt Benedikts XVI. in Ihnen aus?

Martin Utz: Vor allem grosse Verwunderung. Dass ihn ausschliesslich gesundheitliche Gründe dazu bewogen, nehme ich ihm nicht ab. Ich vermute, dass man ihn im Vatikan dermassen ärgerte, dass ihm das Papstsein verleidete.

Zur Person

Als Zwanzigjähriger kam Martin Utz 1968 nach Rom und diente fortan bis 1995 als Schweizer Gardist drei verschiedenen Päpsten. Der heute 65-Jährige lebt in Rom und führt Touristen durch den Vatikan.

Womit soll man ihn geärgert haben?

Innerhalb der Vatikanmauern gibt es nicht wenige Leute, die böswillig anderen das Leben schwer machen. Da sind Intriganten am Werk, die ihre Machtkämpfe ausfechten ohne Rücksicht auf Verluste.

Das klingt nach Rachelust ihrerseits. Wurden Sie als Mitglied der Schweizer Garde etwa selber Intrigen zum Opfer?

Ja, das ist tatsächlich so. Doch dass der Vatikan Hort von Intrigen ist - das haben die letzten drei Päpste ihrerseits kritisiert. Schon Paul VI. verkündete in den Siebzigern: «Der Rauch des Teufels hat den Vatikan verpestet.»

Wie kam es, dass Sie aus der Schweizer Garde austreten mussten?

Sehen Sie, ein ehrlicher Mensch hat im Vatikan keine Chance.

Waren Sie ehrlich?

Ich versuchte, ein guter Christ zu sein und erfüllte meine Aufgaben so gut ich konnte und wollte unter den Gardisten Nächstenliebe und Ehrlichkeit fördern. Man begann dann, nach einem Haar in der Suppe zu suchen und fand es schliesslich auch.

Was hat man Ihnen vorgeworfen?

Ich soll ungehorsam und frech gewesen sein.

Und doch entschieden Sie sich 1995, in Rom zu bleiben?

Ich stieg in den Tourismus ein. Zudem leben meine Freunde und Bekannte in Rom.

Noch ist unklar, wann sich die Kardinäle zum Konklave in die Sixtinische Kapelle zurückziehen. Sie waren bei beiden Konklaven von 1978 dabei.

Ich hatte als Wachtmeister die Aufsicht über beide Konklaven, die kurz nacheinander stattfanden. Denn der Nachfolger des verstorbenen Paul VI., Johannes Paul I. starb nach nur gerade 33 Tagen im Amt. Vieles unterschied sich damals von dem, wie heute ein Konklave organisiert wird. So quartierte man die Kardinäle damals etwa noch im Papstpalast ein.

Das hört sich nach einer improvisierten und widrigen Angelegenheit an.

Ein Konklave ist eine improvisierte Sache. Das ist bis heute so. Damals wohnten die Kardinäle zur Vorbereitung des Konklaves im Vatikan unter einfachen Umständen. Zum Waschen stand ihnen üblicherweise ein Wasserkrug zur Verfügung. Am Konklave selber werden sämtliche Zugänge zugemauert, Räume und Fenster versiegelt und letztere weiss angestrichen. Die Kardinäle sind völlig abgeschieden von der Umwelt. Hinzu kam 1978 die Hitze. Das erste Konklave fand im August statt, das zweite im Oktober. Stellen Sie sich die Verhältnisse vor, in der die mehrheitlichen älteren Kardinäle mit ihren Sekretären einen Papst wählen mussten. Vor allem im August herrscht in Rom eine brütende Hitze

Was war denn genau Ihre Aufgabe?

Keine Leute hineinlassen, die nicht rein gehören, etwa Journalisten. Zudem mussten wir den Kardinälen und ihren Sekretären die Zimmer im Palast zuweisen.