Seit vier Tagen suchen in Flandern rund 400 Polizisten und Elitesoldaten nach Jürgen Conings, einem 46-jährigen Berufssoldaten der belgischen Armee. Unterstützung gibt es auch aus Deutschland und den Niederlanden. Der als Rechtsextremer bekannte Soldat hat Drohungen gegen Virologen ausgesprochen, Abschiedsbriefe hinterlassen und sich mit einem ganzen Waffenarsenal eingedeckt.
Wenn Jürgen Conings nicht gefunden werden will, weiss er, was zu tun ist: Der Berufssoldat der belgischen Armee wurde unter anderem in Tarntechniken ausgebildet. Trotzdem ist es bemerkenswert, dass die grossangelegte Suchaktion nach dem 46-jährigen nun schon seit vier Tagen andauert. Auch 400 Polizisten und Elitesoldaten können Conings einfach nicht finden. Am Donnerstag kamen auch Einheiten aus Deutschland und den Niederlanden dazu.
Die Behörden warnen, dass von Conings eine akute Gefährdung ausgehe. Der Mann sei schwerbewaffnet und habe einen Amoklauf angedeutet. Die Suche konzentriert sich nun auf den Nationalpark «Hoge Kempen» in der Provinz Limburg in Flandern nahe der niederländischen Grenze. Es ist eine schwierige Aufgabe: Der Nationalpark erstreckt sich über ein Gebiet von rund 12'00 Hektaren. Es gibt viel Wald und alte Bunker oder Schützengräben aus dem 1. Weltkrieg.
Der Unteroffizier und Veteran mehrerer Auslandeinsätze, unter anderem in Afghanistan, hat am Montag in seinem Haus zwei Abschiedsbriefe hinterlassen. Darin schrieb er, er wolle «nicht länger in einer Gesellschaft leben, in der die Politiker und Virologen uns alles weggenommen haben». Er kündigte an, «sich dem Widerstand anschliessen und sich nicht kampflos ergeben zu wollen». Schon Monate zuvor äusserte er Morddrohungen gegen den bekannten belgischen Virologen Marc Van Ranst.
Conings hatte sich am Dienstag in seiner Kaserne unter dem Vorwand, ein Schiesstraining organisieren zu wollen, mit vier LAW-Raketenwerfer, einem FN P90-Maschinengewehr und einer Pistole eingedeckt. Die vier Raketenwerfer und entsprechende Munition wurden mittlerweile sichergestellt. Die Polizei geht aber davon aus, dass Conings weiter mit dem Maschinengewehr und der Pistole bewaffnet ist. Eventuell hat er auch noch andere Waffen bei sich. Am Dienstagabend wurde am Waldrand in der flämischen Gemeinde Dilsen-Stokkem das Auto von Conings gefunden. Die Nummernschilder waren abgeschraubt und die Türgriffe mit Drähten verkabelt.
In der Gefährdungsmeldung der Polizei heisst es, die Bevölkerung solle dem knapp zwei Meter grossen Mann fern bleiben und eine Sichtung umgehend der Polizei zu melden. Conings wird aufgefordert, sich zu ergeben und bei der Polizei zu melden.
Wie heeft Jurgen CONINGS gezien? Aan Jurgen CONINGS wordt gevraagd zich zo snel mogelijk te melden bij de dichtstbijzijnde politiedienst. https://t.co/yOXOh5nMwF pic.twitter.com/sWVwQw9NKr
— Opsporingsberichten (@politie_zoekt) May 19, 2021
In der belgischen Öffentlichkeit tobt die Debatte, wie es überhaupt soweit kommen konnte. Jürgen Conings war den Behörden wegen seiner einschlägig rechtsextremen Gesinnung längst bekannt und wurde auf einer Terror-Gefährder-Liste geführt. Im vergangenen Jahr erhielt er zwei Disziplinarstrafen von seinem Arbeitgeber. Einmal wegen rassistischen Äusserungen und einmal wegen der Drohung gegen den Virologen Marc Van Ranst. Im vergangenen Juli wurde er von der Staatsanwaltschaft wegen der Drohung sogar befragt. Seit Februar galt für ihn die zweithöchste Bedrohungsstufe.
Trotzdem konnte er seinen Job bei der Armee behalten und hatte nach einer internen Versetzung auch weiterhin direkten Zugang zu Waffen. Seine Aufgabe war es, Soldaten auf die Auslandeinsätze vorzubereiten und unter anderem Schiessübungen zu organisieren. Als Conings die vier Raketenwerfer und das Maschinengewehr abholte, schöpfte deshalb niemand Verdacht.
Premierminister Alexander De Croo zeigte sich empört: «Es ist unfassbar, dass jemand auf der Ocad-Liste (Gefährder-Liste, Anm. d. Red.) steht und bei der Armee weiter aktiv ist und Zugang zu Waffen hat». Die Verteidigungsministerin Ludivine Dedoner musste sich im Parlament rechtfertigen. Rücktrittsforderungen wies sie zurück. Die Grüne-Partei fordert eine umgehende Einberufung des Radikalisierungsausschusses im flämischen Parlament.
In den sozialen Medien zeigte sich der Fitnessfreak Conings in den letzten Jahren offen islamfeindlich und rechtsextrem. Angehörige beschreiben ihn als «Muskelpaket mit weichem Herz», der alles für seine Familie tun würde. Kollegen bei der Armee hingegen sprechen von einem «rechtsextremen Waffennarr, der nicht vor Gewalt zurückschrecke» und den Virologen Marc Van Ranst hasse, so die Zeitung «Het Laatste Nieuws».
Conings soll ausserdem eine enge Beziehung zum belgischen Ex-Soldaten Thomas Bouten unterhalten, dem Aushängeschild und Guru einer neonazistischen Gruppe in Flandern. Bouten war wegen terroristischer Umtriebe verurteilt worden. Dieser schrieb am Dienstag auf seiner Facebook-Seite: «Die Gedanken sind mit dem Waffenbruder und alten Kollegen, wo immer du bist, du bist nicht allein, auch wenn es in einer Welt ist, die auf die Volkstreuen spuckt.»