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Der Netzwerkforscher Peter Gloor findet die Reaktionen auf die Datenaffäre übersteigert. Er preist die kollektive Intelligenz der Facebook-Nutzer, wünscht sich aber mehr Transparenz.
Natürlich bin ich auf dem sozialen Netzwerk vertreten. Man kann nicht etwas untersuchen, das man nicht aus eigener Erfahrung kennt. Ich habe ein paar hundert Freunde, poste aber nur selten selber etwas.
Ich bin diesbezüglich kein typischer Schweizer – und mach mir nicht so viele Gedanken über die Privatsphäre. Aber ich rate dazu, folgenden Grundsatz zu befolgen: Wenn alles, was von dir auf Facebook erscheint, von deinem grössten Feind gelesen werden könnte, ohne dass daraus Schaden entsteht, dann bist du sicher.
Das gilt auch im aktuellen Fall, mit dem sich Facebook konfrontiert sieht. 50 000 Menschen haben den Persönlichkeitstest des Psychologen Michal Kosinski gemacht. Sein Mitforscher Aleksandr Kogan hat dann die so gesammelten Daten an die Firma Cambridge Analytica weiterverkauft. Allerdings nicht nur jene der Menschen, die sich testen liessen, sondern auch die Daten ihrer Freunde. So kamen 50 Millionen Facebook-Profile zusammen, die dazu genutzt wurden, Trump-Wähler zu mobilisieren.
Als Facebook aufkam, war das nicht geregelt. Gesetze hinken ja den Realitäten immer hinterher – im digitalen Raum gilt das ganz besonders. Später wurden dann Regeln erlassen, dass Dritte nicht mehr uneingeschränkt Daten absaugen dürfen. Ob der Fall «Cambridge Analytica» illegal war, müssen Juristen beurteilen. Sicher aber war er unethisch. Im Sinne der Transparenz hätten die Nutzer darauf aufmerksam gemacht werden müssen, wozu die Daten genutzt werden.
Auf Google kann man seine Daten ziemlich umfassend einsehen. Auch auf Facebook ist das teilweise so. Es gäbe hier aber noch Verbesserungspotenzial. Es ergeben sich da auch spannende Fragen, was man als Nutzer einsehen können muss und was nicht.
Facebook kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die sexuelle Orientierung eines Nutzers aufgrund seiner Likes einschätzen. Genau ist diese Einschätzung aber nicht. Muss nun Facebook einem Nutzer beispielsweise sagen, dass es mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent vermutet, dass er homosexuell ist?
Ich vermute nicht besonders gross. Was Cambridge Analytica gemacht hat, ist eigentlich ziemlich primitiv. Um die Persönlichkeitsmerkmale der Nutzer zu eruieren, wurde der sogenannte Ocean-Test verwendet. Man kann damit eine Person innerhalb von fünf Dimensionen einordnen. Es sind dies: Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Kooperationsbereitschaft und Verletzlichkeit. Ich glaube nicht, dass einem das hilft, um zu wissen, mit welchen Argumenten man eine Person von der Wahl Donald Trumps überzeugen kann. Ich würde sogar sagen, dass Obama 2012 schon weiter war.
Ich finde die Reaktion übersteigert. Aus Nichtwissen entsteht Unsicherheit und letztlich eine Hysterie.
Vielleicht wird ein Gesetz folgen, das besagt, dass man deklarieren muss, für was man die Daten verwertet, die man einsammelt. Vielleicht wird es klarere Regeln für das sogenannte Profiling geben – also für das Einordnen von Menschen in verschiedene Charakterkategorien aufgrund von Daten, die sie im Netz hinterlassen. Facebook selbst hätte wohl nie erwartet, dass der Persönlichkeitstest des Psychologen Michal Kosinski letztlich dazu verwendet wird, um Trump-Wähler zu mobilisieren.
Das denke ich nicht. Facebook setzt auf das Prinzip der offenen Innovation. Drittanbietern wird den Zugang zu den Daten gewährt – in der Hoffnung, dass etwas Kreatives entsteht, das ins eigene Netzwerk integriert werden kann, womöglich sogar ein Startup, das man übernehmen kann. So können natürlich auch ungewollte Effekte entstehen. Aber Herr Zuckerberg leb nach dem Motto: «Frage nicht um Erlaubnis, sondern bitte um Verzeihung.»
Es zeigt sich, dass jene Menschen eher unglücklich werden, die Facebook passiv nutzen. Wer selber aktiv ist – viele Likes generiert und Messages erhält –, wird eher glücklich. Facebook hat aber durchaus positive Seiten: Soziale Medien sorgen für kollektive Intelligenz. Sie beschleunigen erwiesenermassen den Austausch von Ideen ungemein.
Diese Gefahr besteht. Doch ich erachte sie nicht als besonders gross. Entweder würde Facebook den Firmenhauptsitz auf eine nichtregulierte Südseeinsel verlagern. Oder es entstünden neue Plattformen, die noch nicht reguliert sind. Die Innovation ist nicht so einfach aufzuhalten.