Mit einem Namenswechsel will die Rechtsextremistin Marine Le Pen ihren Front National neu aufstellen. Doch das grösste Problem der Partei ist die Vorsitzende selbst. Immer mehr einstige Anhänger sagen sich von ihr los.
Stefan Brändle, Paris
Energisch und frohgemut wirkte Marine Le Pen am Montagabend, als sie ankündigte, dass der «Front National» im März an einem Kongress einen neuen Namen erhalten solle. Grund sei eine derzeit laufende Befragung der 50 000 Parteimitglieder mit entsprechendem Zwischenergebnis. Eine Kommunikationsagentur soll deshalb nach einer neuen Bezeichnung für die rechtsradikale Partei suchen.
Der Elan, mit dem die Parteichefin den Neuanfang verkündete, wirkt reichlich aufgesetzt. Vertraute Le Pens meinen, die 49-jährige Ultranationalistin sei trotz ihres starren Lächelns «einsam und deprimiert». Marine Le Pen bleibt mehr als ein halbes Jahr nach den Präsidentschaftswahlen im Tief. Ganz Europa hatte vor ihrem Sieg gezittert; doch das letzte TV-Duell gegen Emmanuel Macron verpatzte sie völlig. Mit 11 Millionen Stimmen gewann sie zwar doppelt so viele, wie ihr Vater Jean-Marie Le Pen in seiner politischen Karriere jemals erhalten hatte; gemessen an den durch das Brexit-Votum und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten stimulierten hohen Erwartungene war das Wahlresultat von 36,1 Prozent Stimmenanteil aber schon fast ein Fiasko.
Aggressiv, übernächtigt und nicht zuletzt desinformiert, machte Le Pen damals ein Augenleiden für den blamablen Auftritt verantwortlich. Selbst ihre Wähler wissen, dass das nur eine Ausrede ist: In Wirklichkeit verhedderte sich Marine, wie sie von ihren Fans genannt wird, ausgerechnet an ihrem wichtigsten Wahlkampfthema, dem EU-Austritt Frankreichs.
Weder für den «Frexit» noch klar dagegen, blieb Marine Le Pen die wichtigste Antwort im Wahlkampf schuldig. In der Person ihres Parteivizes Florian Philippot (36) fand sie daraufhin einen idealen Sündenbock: Er ist für den «Frexit», den laut Umfragen 70 Prozent der Franzosen ablehnen. Dieses Euro-Dilemma haben die Frontisten bis heute nicht aufgelöst.
Philippot wurde im Herbst als Vertreter des «linken» Parteiflügels aus der Partei geekelt. Ohne zu zögern, gründete er eine neue Partei namens Les Patriotes. Mehrere nationale und europäische Abgeordnete des FN sind bereits übergelaufen. Aber auch auf der Rechten wenden sich die Anhänger von Le Pen ab: Ihre Nichte Marion Maréchal (28) legte ihre Parteiämter nieder und wartet auf ihre Stunde, während sie diskret am Stuhl ihrer Tante sägt.
Diese plant nun mit dem Namenswechsel einen riskanten Befreiungsschlag. Er soll die Partei vom üblen Leumund ihres Vaters lösen, der den Front National 1972 gegründet und fest in der französischen Politik verankert hatte. Ein neuer Name, so der Plan Le Pens, soll die Formation aus der rechten Schmuddelecke führen und regierungsfähige Wahlbündnisse ermöglichen. «Wenn ein Name zu grosse Befürchtungen weckt oder ein zu starkes emotionales Gewicht hat – und das scheint beim Front National der Fall zu sein –, dürfen wir nicht zögern, Massnahmen zum Sieg zu ergreifen», sagte Le Pen.
FN-Veteranen laufen allerdings Sturm gegen Le Pens Vorhaben. Marine verschleudere das Erbe ihres Vaters, schimpfen sie. Auch Jean-Marie Le Pen warf seiner Tochter gestern «Verrat» vor. Dies sei «ein echter Verrat an den Mitgliedern und Wählern, die seit 45 Jahren den FN unterstützen», schrieb der 89-Jährige auf Twitter. Gravierender für die angeschlagene Parteichefin: Die allgemeine Zurückweisung durch alle politischen Parteien gilt nicht nur dem FN, sondern auch dem Namen Le Pen. Mit ihm könnten sich republikanische Formationen, selbst wenn sie wollten, kein Bündnis leisten. Auch der neue, rechtsgerichtete Chef der französischen Konservativen, Laurent Wauquiez, der mit Le Pen die Euroskepsis und Migrationskritik weitgehend teilt, schliesst jede Absprache mit den «Lepenisten» aus.
Der Rechtsgaullist Dupont-Aignan von der euroskeptischen Partei «Debout la France» will mit ihnen ebenfalls nicht mehr ins Boot steigen. Und solange Le Pen die Geschicke einer neu gegründeten Partei bestimmt, dürfte sich daran auch nichts ändern.Sogar Parteidissident Philippot hält seine «Patriotes» auf Distanz zu Le Pen, die ihm heute spinnefeind ist. Nicht zuletzt, weil er denjenigen Parteinamen mitnahm, den Marine Le Pen eigentlich für den Front National vorgesehen hatte.