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Die Vorwahl der US-Demokraten in New Hampshire von heute Dienstag könnte für manche Kandidaten das Ende bedeuten. Vor allem einer muss zittern.
Russ Fournier war einst ein Republikaner. 2000 und 2004 wählte er George W. Bush. «Ich muss das Gefühl haben, ein Präsidentschaftskandidat verstehe mich, sonst wähle ich ihn nicht», sagt der Mann aus Salem (New Hampshire). Und Bush habe das gewisse Etwas gehabt. Dann sagt Fournier einen Satz, der dieser Tage während Wahlkampfauftritten der führenden demokratischen Anwärter auf das Weisse Haus häufig zu hören ist: «Aber das ist lange her.» Will heissen: Das war, bevor Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde. Heute könne er sich nicht vorstellen, jemals wieder für einen Republikaner zu stimmen, sagt Fournier.
Deshalb hat sich der Mittfünfziger an diesem Sonntagabend in der Turnhalle in Salem eingefunden, in der die demokratische Kandidatin Amy Klobuchar auftreten wird, die in Iowa knapp hinter Joe Biden auf dem fünften Rang landete. Heute finden die demokratischen Vorwahlen in New Hampshire statt. Und die Kandidaten kämpfen um jede Stimme. «Ich schätze Amy», sagt Fournier, «ich bewundere ihre Durchsetzungskraft und ihr ungezwungenes Auftreten.»
Klobuchar verspürt seit den Wahlversammlungen in Iowa Rückenwind. Hunderte Menschen haben sich in der Turnhalle eingefunden, um der Senatorin zuzuhören. Die 59-Jährige hat eine klare Botschaft für die Wähler in New Hampshire: «Wir müssen über diejenigen Menschen sprechen, die etwas anders denken als wir.» Die Demokraten könnten es sich nicht leisten, enttäuschte Republikaner und Parteiunabhängige vor den Kopf zu stossen. Genau das aber dürfte passieren, wenn der selbsternannte «demokratische Sozialist» Bernie Sanders (78) in New Hampshire gewinnt. Und darauf deuten alle Umfragen hin. Klobuchar und ihre beiden gemässigten Mitstreiter Joe Biden (77) und Pete Buttigieg (38) können maximal auf den zweiten Platz hoffen. Wem es gelingt, hier die Erwartungen zu übertreffen, der kann sich den Medien als Hoffnungsträger der gemässigten Kräfte verkaufen.
Dessen ist sich vor allem Joe Biden bewusst, der ehemalige Vize von Barack Obama und langjährige Senator aus Delaware. Der 77-Jährige versucht an diesem Sonntag in einer Turnhalle in Hudson die Wähler von seiner Kandidatur zu überzeugen. Allein: So recht will dies nicht gelingen. Der Applaus ist spärlich, vielleicht auch, weil Biden zu Beginn seiner Rede ausführlich über persönliche Rückschläge spricht – wie er in den Siebzigerjahren seine Frau und seine Tochter bei einem Autounfall verloren hat und wie sein ältester Sohn an Krebs starb. Kurz bricht seine Stimme, dann fängt er sich und sagt: «Die Hoffnung stirbt zuletzt.»
Die Anwesenden, unter ihnen viele Polit-Interessierte aus benachbarten Bundesstaaten, hören ihm höflich zu. Aber der Funken springt nicht über. Dem Kandidaten, der angetreten ist, «die Seele des Landes» zu retten, weil nur er die Wiederwahl Trumps verhindern könne, gelingt es nicht, einige Hundert Zuhörer in seinen Bann zu ziehen.
Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass Biden sich übers Wochenende von seiner Rolle als Staatsmann verabschiedet und die Ellbogen ausgefahren hat. Ziel seiner jüngsten Attacken: der 38-jährige Pete Buttigieg, Ex-Stadtpräsident von South Bend (Indiana). Biden wies die aufkommenden Vergleiche zwischen Buttigieg und Obama scharf zurück. Sein Wahlkampfteam lancierte einen Online-Werbespot, in dem sich Biden über die Verdienste des Stadtpräsidenten lustig macht. Die Botschaft hinter diesem Verzweiflungsangriff: Die Demokratische Partei könne es sich nicht leisten, ein unbeschriebenes Blatt wie Buttigieg ins Duell mit Trump zu schicken.
Buttigieg allerdings parierte diese Attacken recht elegant. Während eines Fernsehinterviews sagte er: Biden habe recht. «Ich bin nicht Obama. Aber er ist es auch nicht.»
Während eines Auftrittes in Nashua sagte Buttigieg zudem, die Bewohner der kleinen Städte im Landesinnern seien es müde, ständig von den Berufspolitikern in Washington verhöhnt zu werden. Und der Überraschungssieger von Iowa fügte an: «Wir müssen die politischen Ideen der Vergangenheit in der Vergangenheit zurücklassen.» Ein Satz, wie ihn Barack Obama im Wahlkampf 2008 gesagt haben könnte.