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Die Rechtspartei wird in Sachsen und in Brandenburg zweitstärkste Kraft – und könnte bereits im Oktober den nächsten Sieg einfahren.
Was nun?, fragten sich die Politiker von SPD und CDU gestern in der Parteizentrale in Berlin. Sollten sie die herben Verluste kommentieren – oder überwiegt doch die Erleichterung darüber, dass die Alternative für Deutschland (AfD) gestern nicht zur stärksten Kraft aufgestiegen ist? Denn danach sah es in Umfragen vor wenigen Wochen noch aus. Die in beiden Bundesländern deutlich rechts agierende Partei lag lange Zeit vor den regierenden Parteien von Brandenburg und Sachsen – oder wenigstens gleichauf.
In Brandenburg hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in den letzten Wochen Stimmen gut gemacht, vor allem dank Wählerinnen und Wählern, die einen Sieg der Rechtskonservativen verhindern wollten. Die Genossen verlieren aber auch in ihrer Hochburg Brandenburg, wo sie seit der Wiedervereinigung ohne Unterbruch den Ministerpräsidenten stellen, deutlich an Unterstützung. Immerhin aber wird die Partei um Woidke mit etwa 26 Prozent stärkste Kraft, allerdings recht dicht gefolgt von der AfD.
Woidke zeigte sich über den Wahlsieg erleichtert, meinte aber auch:
Was mir Sorgen macht, ist das Ergebnis der AfD. Wir stehen in diesem Land weiterhin vor grossen Herausforderungen.
Woidkes bisheriges Regierungsbündnis wurde indes abgewählt: Die Linkspartei büsste in beiden Bundesländern massiv ein. Offenkundig hat die AfD der Linken den Rang als Ost-Partei abgelaufen. Dank dem Erstarken der Grünen könnte Woidke in einem links-grünen Bündnis dennoch an der Macht bleiben.
Während die Christdemokraten in Brandenburg eine bittere Niederlage zu verkraften hatten – die CDU ist hinter SPD und AfD nur noch drittstärkste Kraft –, überwog bei der CDU in Sachsen trotz Verlusten die Erleichterung. Ministerpräsident Michael Kretschmer holte für seine Partei deutlich über 30 Prozent der Stimmen und verwies die AfD auf den zweiten Rang. Offenbar haben die Wähler Kretschmers volksnahe Art goutiert. Der 44-Jährige tourt seit Wochen quer durch das Land. Er hat sich klar von der AfD abgegrenzt, hat aber deren Anhänger nicht stigmatisiert. Seine Regierung mit der SPD wurde wegen der Schwäche der Sozialdemokraten allerdings abgelehnt. Womöglich braucht Kretschmer die Grünen, um an der Macht zu bleiben. Kretschmer machte die Berliner Politik für die Stimmenverluste für die CDU in Sachsen und Brandenburg mitverantwortlich:
Es wird niemand bestreiten, dass dieses Ergebnis auch viel mit Berlin zu tun hat.
Eine Regierungskoalition mit der AfD schloss Kretschmer abermals aus.
Jubel herrschte bei der Alternativen für Deutschland, obwohl die Partei ihr Ziel, stärkste Kraft zu werden, verfehlt hat. «Ich bin hochzufrieden mit dem Ergebnis, viel besser kann es nicht laufen», sagte der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen. Vor allem das Resultat für die Partei in Brandenburg dürfte hellhörig machen. Der dortige AfD-Vorsitzende Andreas Kalbitz hatte in der Vergangenheit Kontakte ins rechtsradikale Milieu. Der 46-Jährige meinte gestern, das Ergebnis mache eines deutlich:
Die AfD ist gekommen, um zu bleiben. Es wird keine Politik mehr um uns herum möglich sein.
Sämtliche Parteien in Brandenburg und Sachsen haben vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen, mit der AfD zu koalieren. AfD-Bundesfraktionschefin Alice Weidel bezeichnete es gestern als «undemokratisch», den Wählerwillen zu ignorieren. Zu den Wahlsiegern gehören auch die Grünen. Die Öko-Partei – im Osten traditionell wenig verankert – konnte ihr Ergebnis deutlich steigern.
Obwohl die Regierungschefs in Brandenburg und Sachsen mit einem blauen Auge davon gekommen sein dürften, sind die Wahlverluste für die Regierungsparteien der Grossen Koalition in Berlin deutlich. Der Ausgang der Landtagswahlen wird in Berlin heute für Debatten in den Parteizentralen sorgen. Bereits Ende Oktober steht in Thüringen eine weitere Wahl an, bei der der AfD ebenfalls deutliche Zugewinne prognostiziert werden.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach von einem Wahlergebnis für die CDU, die «gemischte Gefühle» auslöse. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, der Zustand der Bundes-SPD habe es den Wahlkämpfern in Brandenburg und Sachsen nicht leicht gemacht. Immerhin in Brandenburg sei der Partei ein guter Schlussspurt geglückt. «Was man daraus lernen kann: Klare Haltung gegen Rechts, das ist wichtig. Aber auch klare Fokussierung auf die Themen, die die Menschen interessieren.»