Startseite International
USA Im Alter von 94 Jahren ist George H. W. Bush gestorben. Seine Amtszeit als 41. US-Präsident endete in einer bitteren Niederlage. Und dennoch flogen dem Patriarchen der Grossfamilie im Ruhestand die Herzen zu
Der Brief trägt das Datum 20. Januar 1993. Und obwohl die handgeschriebene Notiz nur 125 Wörter zählt, widerspiegelt sie die Qualitäten eines Mannes, der während eines halben Jahrhunderts die Politik seines Landes prägte – und trotz seiner Erfolge stets das Gefühl hatte, im Schatten charismatischer Figuren zu stehen. «Dear Bill», schrieb George Herbert Walker Bush an seinem letzten Tag seiner Amtszeit als 41. Präsident seinem Nachfolger, der ihm nach bloss einer Amtszeit eine bittere Niederlage zugefügt hatte. «Ich wünsche Ihnen grosses Glück.»
Dann warnte der Republikaner den Demokraten vor den «harten Zeiten», die auf ihn warteten. Er sei zwar kein besonders guter Ratgeber, schrieb Bush, aber Clinton solle sich von den Kritikern nicht beirren lassen. Und: «Sie werden unser Präsident sein, wenn Sie diese Note lesen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ich wünsche Ihrer Familie alles Gute. Ihr Erfolg ist nun der Erfolg unseres Landes. Ich drücke Ihnen ganz fest die Daumen.»
«Grauenhaft» sei die Niederlage im Präsidentschaftswahlkampf gewesen, sagte Bush Jahre später einem Biografen, und der Schmerz darüber, dass er das amerikanische Volk «im Stich gelassen» habe, verging wohl auch im Ruhestand nie ganz. Umso mehr muss es ihn gefreut haben, dass es ausgerechnet der politische Gegner war, der in den vergangenen Jahren eine Neubewertung seiner langen Karriere vornahm.
Diese Prominenten sind im Jahr 2018 verstorben:
Bill Clinton, der Mann, der ihn politisch gedemütigt hatte, sah in Bush den Vater, den er nie gehabt hatte. Er wurde von Bush, dem Patriarchen einer Grossfamilie, mit offenen Armen willkommen geheissen. Die beiden verstanden sich derart gut, dass Ex-Präsident George W. Bush, der leibliche Sohn des 41. Präsidenten, Clinton seinen «Bruder mit einer anderen Mutter» nannte. Und Barack Obama, auch er ein Demokrat, bezeichnete Bush zuletzt als einen Patrioten, dem es während einer äusserst turbulenten Phase der Weltgeschichte – so brach während der Amtszeit von George Bush die Sowjetunion zusammen und Europa überwand die Teilung; auch besetzte der irakische Diktator Saddam Hussein das kleine Nachbarland Kuwait – gelungen sei, mit ruhiger Hand zu regieren. Auch hob Obama immer wieder Bushs gemeinnützige Arbeit hervor.
Solche Lobpreisungen sind umso erstaunlicher, als dass sich gerade die Demokraten lange über Bush lustig gemacht hatten.
Reaktionen Nach dem Tod von George H. W. Bush gab es zahlreiche Beileidsbekundungen, in denen die Verdienste des 41. US-Präsidenten gewürdigt wurden. Bushs Sohn und 43. Präsident der USA, George W. Bush: «George H. W. Bush war ein Mann mit den besten Eigenschaften und der beste Vater, den ein Sohn oder eine Tochter sich wünschen konnte.»
US-Präsident Donald Trump: «Mit seiner grundlegenden Glaubwürdigkeit, seinem entwaffnenden Witz und seinem unerschütterlichen Einsatz für Glaube, Familie und Land hat Präsident Bush Generationen seiner amerikanischen Landsleute zum Dienst an der Allgemeinheit angeregt.»
Bushs demokratischer Nachfolger Bill Clinton: «Ich bin zutiefst dankbar für jede Minute, die ich mit Präsident Bush verbracht habe, und werde diese Freundschaft stets als eines der grössten Geschenke in meinem Leben ansehen.»
Der Ex-Staats- und -Parteichef der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, der gemeinsam mit Präsident Bush das Ende des Kalten Krieges herbeiführte: «Das war eine dramatische Zeit, die von jedem enorme Verantwortung abverlangte. (...) Er war ein echter Partner.» (sda)
Dass er im Zweiten Weltkrieg heroisch gekämpft hatte – Bush meldete sich am Tag nach seinem 18. Geburtstag freiwillig zum Dienst in der Marine – und dabei fast sein Leben verlor; dass er als junger Erwachsener nach Texas zog, um fernab seines Vater, dem Ostküsten-Bankier und Politiker Prescott Bush, Karriere in der Ölindustrie zu machen; und dass er in den Sechzigerjahren den Beschluss fasste, sein restliches Leben in den Dienst der Öffentlichkeit zu stellen – das spielte dabei keine Rolle. Stattdessen wurde Bush während seiner Gastspiele als Abgeordneter im Repräsentantenhaus (1967–1971), UNO-Botschafter (1971–1973), Parteichef der Republikaner (1973–1974), US-Botschafter in China (1974–1975), CIA-Direktor (1976–1977) und US-Vizepräsident (1981–1989) als linkischer Patrizier bezeichnet, dem das Gespür für das Volk fehle.
Legendär ist eine Rede, die Ann Richards 1988 während eines Parteitags der Demokraten hielt. Die Texanerin spottete, Bush sei nicht nur ein Kind reicher Eltern, sondern auch ein Tollpatsch. Später nahm die Bush-Familie Rache an der Spötterin. George W. Bush besiegte sie 1994 in der texanischen Gouverneurswahl und schickte sie in den politischen Ruhestand.
Lange Jahre musste Bush auch in seiner Republikanischen Partei um Anerkennung kämpfen. Dem rechten Flügel war er nie rechts genug – und im Vergleich zu Ronald Reagan, dem er während acht Jahren als Vize diente, wirkte er spröde.
Am linken Flügel seiner Partei wiederum wurde Bush lange Jahre als Opportunist bezeichnet. So hatte er sich in den Sechzigerjahren in seiner neuen Heimat Texas gegen die politische Gleichstellung der Afroamerikaner ausgesprochen.
Spätestens seit der Amtseinführung von Präsident Donald Trump, auf dem Papier ein Parteifreund Bushs, schien diese Kritik aber vergessen. Der 41. Präsident gilt seither als Vertreter einer Generation von Politikern, die charakterstark, selbstlos und weitgehend skandalfrei gewirkt hatte.
George H. W. Bush ist am Freitagabend (Lokalzeit) im Alter von 94 Jahren in Houston (Texas), gestorben – siebeneinhalb Monate, nachdem seine Gattin Barbara Bush, mit der er 73 Jahre lang verheiratet gewesen war, das Zeitliche gesegnet hatte.