Korrespondent Rudolf Gruber über den Grenzkonflikt zwischen Slowenien und Kroatien.
Als hätte die EU-Kommission nicht schon genug Probleme mit regierenden Nationalisten in Osteuropa und dem südlichen Balkan. Zu Jahresbeginn flammt ein alter Grenzkonflikt zwischen Slowenien und Kroatien wieder auf. Die Hoffnung Brüssels, ein internationales Schiedsgericht und die Kompromisskultur innerhalb von EU und Nato würde beide Mitgliedsländer schon zur Vernunft bringen, ist mithin endgültig geplatzt.
Dabei fühlen sich beide ex-jugoslawische Teilstaaten eher dem Westen als dem Balkan zugehörig. Aber in dieser Region dominiert in der Politik noch immer die Unkultur des Alles- oder-nichts – Kompromisse gelten als Zeichen von Schwäche. Slowenien und Kroatien zeigen sich weder in der Lage, sich bilateral über den Verlauf der Seegrenze an der Bucht von Piran und eine Neuregelung der Fischereirechte zu einigen, noch gemeinsam eine realistische und durchaus ausgewogene Lösung eines internationalen Schiedsgerichts umzusetzen.
Nunmehr scheinen die Positionen zwischen Ljubljana und Zagreb festgefahren, und die EU-Kommission steckt in einem Dilemma: Die Aufforderung, die beiden Adria-Nachbarn müssten doch eine bilaterale Lösung finden, genügt in diesem Fall nicht. Ohne schmerzhafte Sanktionen wird das nicht möglich sein, wobei Slowenien die weitaus geringere Schuld am Scheitern trifft und hoffen darf, in Brüssel Verständnis für die Androhung zu finden, Kroatiens Beitritt zum Schengen-System und zur Eurozone zu blockieren.
Die Hauptschuld trägt die kroatische Regierung, die den internationalen Schiedsspruch aus fadenscheinigen und nationalistisch-populistischen Motiven ablehnt. Vielleicht kommt die Regierung in Zagreb doch noch zur Raison, andernfalls werden aufgrund der aktuellen Konfliktlage die Touristen ausbleiben.
Rudolf Gruber, Wien