Italien
«Grillini»: Peinliche Affäre belastet Fünf-Sterne-Protestbewegung

Vor den letzten Wahlen hatten die «Grillini» von Beppe Grillo versprochen, auf die Hälfte ihres Parlamentariergehalts zu verzichten. Das fiel nicht wenigen von ihnen offenbar schwer.

Dominik Straub, Rom
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Vom Komiker zum Starpolitiker: Beppe Grillo.

Vom Komiker zum Starpolitiker: Beppe Grillo.

KEYSTONE/EPA ANA-MPA/FOTIS PLEGAS G.

Sich nach der Wahl im Parlament nicht schamlos zu bereichern, wie dies die Politiker der traditionellen Parteien tun: Das war und ist das zentrale Versprechen der vom Komiker Beppe Grillo gegründeten Protestbewegung – es handelt sich um den eigentlichen «Markenkern» des Movimento5Stelle (M5S).

1,5

Millionen Euro, so die derzeitige Schätzung, sollen die «Grillini» trotz anderweitiger Versprechen für sich behalten haben.

Das helle Licht ihrer Selbstlosigkeit haben die «Grillini» denn auch nie unter den Scheffel gestellt: In regelmässigen Abständen hat Grillo sogenannte «Restitution Days» (Rückerstattungs-Tage) veranstaltet, bei denen seine Parlamentarier jeweils Checks mit fünfstelligen Summen unterzeichneten, die einem Fonds zur Förderung von Kleinunternehmen zugutekamen.

Aufgedeckt von Satirikern

Und nun, keine drei Wochen vor den Parlamentswahlen vom 4. März, das: Eine satirische TV-Sendung hat aufgedeckt, dass sich nicht wenige Parlamentarier schwer damit tun, sich im versprochenen Umfang von ihren Vergütungen zu trennen. Von Tricks und Schlaumeiereien ist die Rede. So sollen einige «Grillini» getürkte Rechnungen für allerlei Spesen präsentiert haben, damit sie weniger abgeben müssen. Andere Parlamentarier hätten aus dem gleichen Grund Reisekosten verrechnet, die sie gar nicht gehabt hätten: Italiens «Onorevoli» und «Senatori» fliegen ohnehin gratis mit Alitalia, sie fahren kostenlos Bahn, Schiff und Bus, und sie bezahlen auch keine Autobahngebühren.

«Einige faule Äpfel»

Die Enthüllungen haben viel Staub aufgewirbelt – und sind für die Politiker der traditionellen Parteien, die von Grillo immer als «raffgierige Kaste» und «unersättliche Schmarotzer» bezeichnet wurden, ein gefundenes Fressen. Der Chef des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), Matteo Renzi, hat die Affäre bereits mit dem Schmiergeldskandal «Tangentopoli» der Neunzigerjahre verglichen.

Das ist zwar völlig überzogen, aber peinlich sind die Enthüllungen für die Protestbewegung trotzdem – zumal sich unter den mutmasslichen Tricksern auch einige prominente Mitglieder der Grillo-Partei befinden. Zwei Exponenten sind bereits von der Bewegung hinausgeworfen worden, andere dürften noch folgen.

Um welchen Gesamtbetrag die selbstauferlegten Rückerstattungen künstlich nach unten korrigiert wurden und wer alles an den Mauscheleien beteiligt war, steht noch nicht fest. Derzeit lautet die Schätzung auf rund 1,5 Millionen Euro, die zu wenig rückerstattet worden seien – bei einem Gesamtbetrag von 23 Millionen Euro, der in der vergangenen Legislatur von den Grillo-Parlamentariern in den Kleinunternehmer-Fonds einbezahlt wurde.

Objektiv gesehen sind die fehlenden 1,5 Millionen kein grosser Betrag, wenn man berücksichtigt, dass die Parlamentarier der anderen Parteien keinen Cent von ihren Gehältern freiwillig abgeben. M5S-Spitzenkandidat Luigi Di Maio erklärte, bei den Fehlbaren handle es sich bloss «um einige faule Äpfel, die nun aussortiert werden».

Höchste Gehälter Europas

Für wie gravierend die Wählerinnen und Wähler die neue Affäre der «Grillini» halten, wird sich noch weisen müssen: Seit dem Auffliegen der Tricksereien liegen keine neuen Umfragen vor. Fest steht jedoch, dass die Art und Weise, wie die Parlamentarier vergoldet werden, für die Bürgerinnen und Bürger ein Ärgernis erster Güte darstellt. Und das mit gutem Grund: Italien, das Land mit der weltweit dritthöchsten Staatsverschuldung, leistet sich die höchsten Parlamentarierlöhne Europas.

Die 630 Mitglieder der Abgeordnetenkammer erhalten monatlich 13 970 Euro netto. «Netto» bedeutet, dass auch die Steuern schon abgezogen sind. Die 315 Senatoren beziehen sogar 14 650 Euro. Zum Vergleich: Polizisten der Anti-Mafia-Einheiten, die im Dienst täglich ihr Leben riskieren, kommen auf durchschnittlich 1700 Euro netto.