Der Gedenkfeier für den 99-jährig verstorbenen Königinnen-Gemahl ging die grosse Frage voraus: Wie fit ist die Queen?
Würde die Queen überhaupt dabeisein können? Oder müsste die bald 96-Jährige Königin wegen ihrer Gesundheitsprobleme darauf verzichten, am Dankgottesdienst für ihren vor Jahresfrist verstorbenen Prinzgemahl Philip teilzunehmen? Diese Frage trieb die Briten in den vergangenen Tagen um.
Als sich am späten Dienstag Vormittag hinter dem Thronfolger Charles und seiner Gattin Camilla das berühmte Westportal von Westminster Abbey schloss, mögen manche der vielen Hundert Schaulustigen für einen Moment Zweifel gehegt haben. Denn das royale Protokoll sieht eindeutig vor: Ihre Majestät kommt stets als letzte und schreitet den langen Gang zu den Ehrenplätzen vor dem Altar hinab, an der stehenden Gemeinde vorbei.
Diesmal aber setzte man auf eine pragmatische Lösung. Weil der hochbetagten Dame das Gehen zunehmend schwerfällt, kam Elizabeth II durch einen Seiteneingang ins gotische Gotteshaus. Praktischerweise hatten sich die Anwesenden, wie in der anglikanischen Kirche üblich, bereits zum Gesang des ersten Gemeindeliedes erhoben. Am Arm ihres zweiten Sohnes Andrew legte sie sehr langsam die kurze Strecke zurück. Nur die allerletzten Schritte zu ihrem Ehrensessel ging die Queen allein.
Für das britische Staatsoberhaupt war dies der erste öffentliche Auftritt seit vielen Wochen. Nach einem Krankenhausaufenthalt im Herbst, den der Palast vergeblich zu vertuschen versucht hatte, hat Elizabeth II wegen «Mobilitätsproblemen» immer wieder Termine absagen oder per Zoom absolvieren müssen. Mehrfach war sie mit einem Gehstock zu sehen, beklagte sich auch darüber, sie könne sich «nicht bewegen».
Eine Covid-Erkrankung im Februar hingegen schien die bisher stets rüstige Königin gut überstanden zu haben. Zu ihrem Wohlbefinden trägt auch der endgültige Umzug aus dem Buckingham-Palast in London nach Schloss Windsor bei.
Die Zusammenkunft von mehreren Hundert Gästen in der Krönungskirche stand im krassen Kontrast zum Trauergottesdienst vor einem Jahr. Der fand in der Schlosskirche St. Georg von Windsor statt und war stark von den damals herrschenden Coronaregeln betroffen gewesen. Lediglich 30 Trauergäste durften vom verstorbenen Prinz Philip Abschied nehmen. Die Queen musste nach 73 Ehejahren allein und mit schwarzer Maske in einer Kirchenbank Platz nehmen, um ihrem verstorbenen Gatten zu gedenken.
Diesmal war nicht nur politische Prominenz vertreten, angeführt von Boris Johnson. Zu Dutzenden war auch der europäische Hochadel nach London gereist, darunter royale Vertreter aus Spanien, Dänemark, den Niederlanden und Norwegen.
Gefehlt hat hingegen der abtrünnige Enkel der Queen: Prinz Harry. Mit seiner Frau Meghan Markle blieb der 37-jährige im kalifornischen Montecino. Die Queen, heisst es aus royalen Kreisen, sei darüber gar nicht «amused» gewesen. Harry habe sein Bedauern geäussert und sein Fernbleiben damit begründet, dass er als Ex-Royal nicht mehr auf den Personenschutz der Spezialeinheiten von Scotland Yard zählen könne.
Dass die Königin am Arm ihres durch einen Sexskandal diskreditierten Sohnes Andrew in der Abbey erschien, sorgte bei Beobachtern für Stirnrunzeln. Erst vergangenen Monat hatte der Herzog von York den drohenden Rechtsstreit mit einem Opfer des Sexualverbrechers Jeffrey Epstein durch eine Millionenzahlung abgewendet. Öffentliche Auftritte absolviert der 62-Jährige bereits seit zwei Jahren nicht mehr. Die Teilnahme am Dankgottesdienst für seinen Vater dürften ihm auch die ärgsten Kritiker nachsehen, zumal er – als einziger prominenter Royal ohne Frau an seiner Seite – umso leichter seiner hinfälligen Mutter behilflich sein konnte.