Chile Die Witwe von Ex-DDR-Staatschef Erich Honecker wohnt diskret in einem schmucken Reiheneinfamilienhaus.
Wer sich ein wenig umhört, bringt die Adresse recht einfach in Erfahrung: Margot Honecker wohnt im Bezirk «La Reina» am östlichen Stadtrand, in einer ruhigen Strasse, die gesäumt wird von Häusern des soliden Mittelstandes, Hausnummer 8978.
Nach dem Fall der Berliner Mauer flüchtete die Witwe von SED-Generalsekretär Erich Honecker via Russland zu ihrer Tochter nach Chile. Nach kurzer Haft folgte ihr Mann, der die DDR von 1971 bis 1989 dirigiert hatte. Erich starb 1994, Margot blieb und bewohnt das Reiheneinfamilienhaus heute zusammen mit ihrem Enkel Roberto.
Die Urne mit der Asche des ehemaligen DDR-Chefs soll sich bis heute im Haus befinden.
Prinzipiell keine Journalisten
Also nichts wie hin zu Frau Honecker. Wäre doch toll, wenn die 86-Jährige der «Nordwestschweiz» spontan ein Interview geben würde. Ihr Heim gehört zu einer Siedlung schmucker, zweistöckiger Reiheneinfamilienhäuser. Die Hausnummer prangt gross an der Mauer. Ein grünes gusseisernes Tor versperrt den Zugang. Klingeln bei Nummer «G».
«Sí?», meldet sich eine Männerstimme über die Freisprechanlage. «Ist hier Honecker?» «Ja». Also vermutlich der Enkel. Dann folgt ein längerer Dialog. La Señora Honecker sei nicht im Haus. Wann sie erreichbar sei? Gar nie: Sie empfange prinzipiell keine Journalisten. Nein, auch keine Schweizer. Der Mann wünscht einen schönen Tag und hängt auf.
Eine Überzeugungstäterin
Schade. Hätte ja sein können. Doch nur zweimal hat sich die Honecker-Witwe seit der Implosion der DDR zu Wort gemeldet – beide Male outete sie sich als ungebrochene Verfechterin des Kommunismus. In einem Dokumentarfilm der ARD verteidigte sie sogar den Schiessbefehl an der Berliner Mauer: «Die brauchten ja nicht über die Mauer zu klettern, um diese Dummheit mit dem Leben zu bezahlen.»
Ein wackeliger Videoclip wurde 2009 auf Youtube wohl eher unfreiwillig veröffentlich. In einer Tischrede zum 60. Gründungstag der DDR huldigt Margot Honecker dem untergegangenen System: «Alles das, was wir geschafften haben in 40 Jahren, das ist nicht wegzuleugnen.» Frau Honecker ist Überzeugungstäterin. Noch immer verkehrt sie in kommunistischen Kreisen; 2011 tauchte sie auf einem Foto aus Kuba auf, wo sie zusammen mit Staatschef Raúl Castro eine Militärparade abnahm.
«Sie ist sehr stur»
Ihr Enkel Roberto Yáñez Betancourt y Honecker, 38, hingegen gibt sich da kritischer. Er sagte mal im «Zeit»-Magazin über die DDR: «Das Land war ein Gefängnis, und deshalb war bereits nach vierzig Jahren Schluss.» Und über seine Grossmutter: «Sie hat ihre Auffassungen. Sie steht zum Kommunismus in einer Weise, die mir nicht gefällt. Sie ist sehr stur.» Sie schreibe Briefe, lese Bücher und linke Zeitungen, informiere sich jeden Morgen auf spiegel.de. Manchmal kämen Genossen von der kommunistischen Partei vorbei, und dann würden sie gemeinsam ans Meer fahren.
Noch heute Rente aus Deutschland
Margot Honecker war nicht nur Gattin des Staatschefs. Sondern von 1963 bis zum Ende 1989 Bildungsministerin. Die Honeckers waren zwar nicht ein ganz so übles Diktatorenpaar wie diejenigen anderer Ostblockstaaten. Für eine hohe Repräsentantin eines ehemaligen Unrechtsstaats jedoch führt sie ein komfortables Leben.
Sie musste sich nie vor Gericht verantworten und bekommt gar bis heute von Deutschland eine monatliche Rente von 1500 Euro. Anderen erging es schlechter: Die Ceausescus in Rumänien etwa wurden nach der Wende kurzerhand erschossen.