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Das englische Königshaus sieht sich gewaltigen Herausforderungen ausgesetzt. Wenn es mal zu viel wird, wendet sich die Queen an sie: Rose Hudson-Wilkin. Die erste schwarze Bischofsfrau des Landes steht der Monarchin als private Seelsorgerin zur Seite.
Prinz Harry tritt mit Frau Meghan von seinen royalen Pflichten zurück, Prinz Andrew schwatzt sich in einem kontroversen TV-Interview ins Abseits. Das Haus Windsor und damit das monarchische System Englands kommt seit Monaten kaum aus den Schlagzeilen heraus. Trotzdem wirkt Königin Elizabeth betont gelassen inmitten der konstitutionellen Turbulenzen. Ihre Kraftquelle: Die 59-jährige Geistliche Rose Hudson-Wilkin, welche die Monarchin als private Seelsorgerin moralisch unterstützt.
«Oh ja, Ihre Majestät, die Königin...», lautet eine der wenigen Aussagen, die die Seelsorgerin in diesem Zusammenhang preisgibt: Sie spricht in Interviews von einer «unermesslichen Ehre» und einer «anfänglichen Nervosität, die sich inzwischen gelegt hat», verweigert allerdings jeglichen detaillierteren Einblick in ihre Arbeit als offizielles Ohr für die persönlichen Freuden und Sorgen der Königin. «Diskretion ist alles in dieser Aufgabe», sagt sie.
Dabei könnte die anglikanische Kirche selber seelsorgerischen Beistand brauchen: Wie bei anderen Landeskirchen scheint es auch der Church of England schwerzufallen, den momentanen Zeitgeist einzufangen und eine breitere Masse für Ihre spirituelle Mission zu begeistern.
Die Berufung der ersten dunkelhäutigen Bischofsfrau markiert eine Beschleunigung der Image-Renovation: Rose Hudson-Wilkin trat ihr Amt als ‹Bishop of Dover› vor rund drei Monaten an – ein deutliches Signal, dass sich das Ruder innerhalb der Kirche in den Händen des progressiven Flügels befindet. Erzbischof Justin Welby, ein ehemaliger Boss in der Öl-Industrie und treibende Kraft hinter den Modernisierungs-Massnahmen, beschrieb die Anstellung Hudson-Wilkins als «bahnbrechend».
Die Geistliche selber bezeichnete ihre Berufung in einem Gespräch mit Studentinnen und Studenten als «Wunder»: Ihre Ernennung fällt in eine Phase, in welcher Diskussionen um Rassenidentität politisches Gewicht haben. «Ich lebe seit über 30 Jahren in diesem Land», sagte die gebürtige Jamaikanerin während einer theologischen Konferenz. «Letztes Jahr wurde ich zum ersten Mal angebrüllt und aufgefordert, ‹zurück nach Afrika› zu gehen.» Der Brexit-Entscheid habe eine Schattenseite ans Licht gebracht, «aus welcher gewisse Leute nun heraustreten und sagen ‹Das ist die Chance, uns in dieser Art und Weise aufzuführen›».
Hudson-Wilkin konnte sich während ihrer langjährigen Rolle als Seelsorgerin im britischen Parlament an ein anspruchsvolles und oft spannungsgeladenes politisches Umfeld gewöhnen. Die Arbeit mit der Königin dürfte dabei einen beschwichtigen Gegenpol bilden: «Die Leute in Grossbritannien könnten es gut vertragen, ein oder zwei Dinge von Ihrer Majestät zu lernen,» schrieb sie in einem Leitartikel. «Sie ist eine Person, die alle einschliesst».
Die Verbindung von Hudson-Wilkin zur britischen Monarchie kam auch in der momentanen Kontroverse um die Herzogin von Sussex, Meghan Markle, zum Vorschein: Markle wird von der britischen Regenbogenpresse besonders hart angefasst und handelte sich – als Beispiel – Kritik für ihre MItarbeit an der September-Ausgabe der Modezeitschrift Vogue ein. «Anmerkung für Meghan», schnödete die «Daily Mail»: «Die Briten ziehen wahres Königtum einem Mode-Königtum vor». Hudson-Wilkin zeigte sich solidarisch mit Markle und damit einer Frau, die wie sie aus einer ethnischen Minderheit stammt und ebenfalls eine altehrwürdige britische Institution von innen heraus in die Moderne bringen wollte. «Unhöflich und respektlos», kommentierte Hudson-Wilkin die Schlagzeile und erhob die Frage, ob eine etabliertere, sprich weisshäutige Figur im Königshaus auf die gleiche Skepsis stossen würde.
Rose Hudson-Wilkin, glücklich verheiratet und die Mutter von 3 Kindern, weiss aus eigener Erfahrung, dass ihr neuer Job einen breiten Rücken verlangt. Ihre Anstellung warf neben viel Wohlwollen auch Fragezeichen auf, vor allem in konservativeren Kreisen, wo man den progressiven Erzbischof Justin Welby mit einer Portion Misstrauen betrachtet. «Wurde sie von Welby ernannt, weil sie perfekt zu ihrer Gemeinde passt?», fragt die Wochenzeitschrift «The Spectator». «Oder hat er es mehr getan, weil sie sich in seine Vision einer Church of England einfügt, die vor allem politisch korrekt sein will?»
Rose Hudson-Wilkins Ernennung setzt zweifellos ein unübersehbares Zeichen: Die anglikanische Kirche positioniert sich am Puls der Gesellschaft. Ob diese Wachsamkeit und Handlungsbereitschaft genügt, dem Abwanderungstrend Einhalt zu gebieten, wird sich erst noch erweisen. «Als Christin glaube ich an Hoffnung», lautet das Credo der neuen Bischofsfrau. Eines, das sie zweifellos mit der Queen teilt.