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Helmut Schmidt ist tot: Deutschlands Altkanzler 96-jährig gestorben

Deutschland trauert um Helmut Schmidt. Der frühere Bundeskanzler starb nach Angaben seines Arztes am Dienstagnachmittag im Alter von 96 Jahren zu Hause in seiner Heimatstadt Hamburg.

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Deutschlands Alt Bundeskanzler Helmut Schmidt ist tot
10 Bilder
1974 beim Besuch von US-Präsident Jimmy Carter in Berlin
Während seiner Regierungserklärung in Bonn 1976
Am SPD-Kongress 1979
Mit Berlins Bürgermeister Richard von Weizsäcker (l.) und US-Präsident Ronald Reagan (m.) 1982
Schmidt wird im Jahr 2000 die Ehrendoktorwürde der israelischen Universität von Haifa verliehen
Als Gastredner am Schweizer Nationalfeiertag in Samnaun 2003
Auch bei öffentlichen Anlässen trat er selten ohne Zigarette auf
Schmidt war starker Raucher
2010 starb Helmut Schmidts Ehefrau Loki

Deutschlands Alt Bundeskanzler Helmut Schmidt ist tot

/EPA/MAURIZIO GAMBARINI

Nach Auskunft seines Leibarztes war Schmidt in den vergangenen Tagen nur noch selten bei Bewusstsein. Sein Gesundheitszustand hatte sich seit Samstag "kontinuierlich und dramatisch verschlechtert", wie er dem "Hamburger Abendblatt" (Dienstagsausgabe) sagte.

Der Altkanzler war Anfang September in Hamburg wegen eines Blutgerinnsels am Bein operiert worden. Nach gut zwei Wochen verliess er auf eigenen Wunsch das Spital und kehrte in sein Haus in Hamburg-Langenhorn zurück, wo er rund um die Uhr betreut wurde.

Nach der Nachricht von seinem Tod legten Menschen am Nachmittag vor seinem Haus Blumen nieder, einige zündeten Kerzen an. Zahlreiche Fernsehteams und Fotografen sammelten sich dort. Die Stadt liess an den Fahnenmasten des Rathauses schwarze Bänder anbringen.

Würdigungen aus dem In- und Ausland

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Schmidt als "einen der bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit". Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) äusserten sich tief bestürzt über Schmidts Tod.

Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte in Berlin: "Das jetzt ist eine Stunde, in der Deutschland innehält." Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, die Sozialdemokratie trauere um einen Menschen, der weit über die SPD hinaus als jemand im Gedächtnis bleibe, der mit Zuversicht, Realismus und Tatkraft "unser Land gestaltet hat".

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nannte Schmidt einen "Freund, der mir, ebenso wie Europa, fehlen wird". Der französische Präsident François Hollande sprach von einem "grossen Europäer". Auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga würdigte Helmut Schmidt; er sei "ein grosser Europäer, ein grosser Staatsmann und ein grosser Sozialdemokrat" gewesen, hiess es am Dienstag aus dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement in Bern.

Minister und Kanzler

Schmidt war von 1974 bis 1982 als Nachfolger von Willy Brandt Bundeskanzler. In der aus Konservativen und Sozialdemokraten bestehenden Grossen Koalition führte er von 1967 bis 1969 die SPD-Bundestagsfraktion und war danach Verteidigungs- und Finanzminister. Den Hamburgern blieb Schmidt auch als tatkräftiger Innensenator während der Sturmflut von 1962 im Gedächtnis.

Zu den grössten Herausforderungen in seiner Kanzlerzeit gehörten die Ölkrise in den 70er Jahren und der Kampf gegen den Terrorismus der "Rote-Armee-Fraktion". Resultierend aus den Erfahrungen als Soldat der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg war dem Volkswirtschaftler die europäische Einigung ein Herzensanliegen. Den Sozialdemokraten trat Schmidt nach der Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft bei.

Als einer der ersten wies Schmidt auf die Gefahren für das Rüstungsgleichgewicht durch neue sowjetische Mittelstreckenraketen hin. Der NATO-Doppelbeschluss führte zu einer heftigen Konfrontation auch mit seiner eigenen Partei.

Im Herbst 1982 scheiterte Schmidt mit seiner sozialliberalen Koalition an Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Durch ein konstruktives Misstrauensvotum wurde der Christdemokrat Helmut Kohl am 1. Oktober 1982 zu seinem Nachfolger gewählt.

Angesehen bis ins hohe Alter

Schmidt gehörte dem Bundestag bis 1987 an. Seit 1983 war er Mitherausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit". Er schrieb zahlreiche Bücher und reiste für Vorträge um die Welt. Auch im hohen Alter waren seine Meinung und sein Rat gefragt und geschätzt. Schmidt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, seine Bücher standen wochenlang auf den Bestseller-Listen.

Seine Frau Loki, mit der 68 Jahre verheiratet war und die er seit der Schulzeit kannte, war am 21. Oktober 2010 im Alter von 91 Jahren gestorben.

Kurz nach dem Bekanntwerden von Helmut Schmidts Tod, häufen sich auf Twitter die Trauerbekundungen:

Die besten Momente im Video: