Donald Trumps Vorfahren stammen aus dem pfälzischen Winzerdorf Kallstadt. Dort hat man die Nase voll vom berühmtesten Enkel des Ortes – und erinnert daran, dass Trumps Familie einst illegal auswanderte.
Am liebsten will man gar nicht mehr über ihn reden. Donald Trump auf den man hier lange stolz war, hat die Gunst der Kallstädter verloren. Die Tatsache, dass der Grossvater des republikanischen Präsidentschaftskandidaten in ihrem Ort zur Welt kam, empfinden viele mittlerweile als Stigma. Trump sei «unmöglich», ein «Blender» und ein «Egoist». Mit Trumps Pöbel-Wahlkampf kann man hier wenig anfangen. Kallstadt steht für konservative Werte. Der politische Held heisst hier noch immer Helmut Kohl. Doch dazu später mehr.
Optisch ist Kallstadt kaum von anderen Dörfern an der deutschen Weinstrasse zu unterscheiden. Der pittoreske Ortskern schmiegt sich an die umliegenden Weinberge, die Riegelhäuser entlang der Hauptstrasse gehören zu namhaften Weingütern. Hier feiert man in diesen Wochen das längste Weinfest der Pfalz.
Trotzdem stand Kallstadt mit seinen 1200 Einwohnern lange im Schatten der benachbarten Touristenhochburgen Freinsheim und Deidesheim. Dass sich das jüngst geändert hat, hat aber weniger mit den schmucken Fachwerkbauten oder dem hervorragenden Wein zu tun – sondern mit dem Präsidentschaftswahlkampf in den USA, der, so lässt sich ohne Übertreibung feststellen, ohne Kallstadt ganz anders aussähe.
Das Haus in der Freinsheimer Strasse könnte unscheinbarer kaum sein. Dennoch hat es in den vergangenen Monaten viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Hier erblickte Donald Trumps Grossvater Frederick im Jahr 1869 das Licht der Welt – ein Grund, warum seit Beginn des US-Wahlkampfes Kamerateams und Journalisten aus aller Welt angereist sind. Sogar die «Washington Post» hat hier schon an der Tür geklingelt.
Davon haben die Hausbewohner nun genug. Mit einer am geschlossenen Hoftor befestigten Notiz bieten sie ihr «Anwesen der Zeitgeschichte» zum Verkauf feil. «Damit wir wieder ohne Presse- und Medienrummel leben können!!!!», steht da mit Nachdruck. Die vielen Ausrufezeichen stehen auch anderen Anwohnern ins Gesicht geschrieben, wenn man sie nach dem Mann fragt, der ihrem Dorf weit über die Region hinaus zu zweifelhaftem Ruhm verholfen hat.
Alfred Henninger steht an einem Hauseingang unweit des zum Verkauf stehenden Trump-Hauses. Er wirft einen alarmierten Blick auf die Kamera. «Sie sind bestimmt wegen dem Trump hier. Auf den sind wir hier gar nicht gut zu sprechen.» Mehr will er eigentlich gar nicht sagen. Der Wirbel um seinen Heimatort und das Haus in seiner Nachbarschaft sind ihm zu viel geworden. Er habe überhaupt nichts gegen Gäste. «Es wäre doch aber schön, wenn die wegen unseres Weins und dem Saumagen kämen, und nicht wegen dem Trump.»
Der Saumagen ist eine Kallstadter Erfindung, die als Leibspeise des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl Berühmtheit erlangt hat. Der heimattreue Kanzler verlegte seine Staatsdiners gern in die Pfalz, wo auch internationalen Gästen wie Margaret Thatcher oder Ronald Reagan das Fleischgericht vorgesetzt wurde, dessen Namen bei vielen spontane Gänsehaut hervorruft. Dabei ist der Name irreführend – es handelt sich eigentlich um mageres Schweinefleisch mit Kartoffel-Füllung.
Auf den Saumagen ist man in Kallstadt stolz. Die hiesige Metzgerei heisst nicht Metzgerei, sondern «Saumagenparadies», im Zentrum gibt es einen «Platz am Saumagen», und sogar ein Weinberg am Ortsrand, der zu den besten Weinlagen Deutschlands zählt, ist nach ihm benannt. Dass Kallstadt dank Helmut Kohls «Saumagen-Diplomatie» in der politischen Sphäre schon früher legendär war, mutet an wie ein kurioser Zufall. Dabei gibt es derer mehrere.
Diesen Zufällen ging die selbst aus dem Ort stammende Regisseurin Simone Wendel in ihrem Dokumentarfilm «Kings of Kallstadt» nach. Denn Trump ist nicht der einzige US-Multimillionär, der hier seine Wurzeln hat. Auch der Vater von John Henry Heinz, dem Gründer des Milliarden-Konzerns Heinz-Ketchup, wurde hier geboren. Wendel flog nach New York und traf Donald Trump in dessen berüchtigtem Trump Tower. Ein erstaunliches Treffen: Wie sein Vater verschwieg der Unternehmer lange Zeit seine deutsche Herkunft. «Nach den beiden Weltkriegen waren Deutsche in den USA extrem unbeliebt. Donald Trump übernahm das Märchen seines Vaters, er stamme aus Karlstad in Schweden», sagt Roland Paul, bis vor kurzem Direktor des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde in Kaiserslautern.
Trotzdem behauptet Trump im Film: «Ich liebe Kallstadt.» Dabei war er noch nie da – aus gutem Grund.
Die Migrationsgeschichte der Familie Trump ist typisch für das späte 19. Jahrhundert. Deutsche bildeten in den USA die grösste Einwanderergruppe. In einer Welle verliessen in den 1880er-Jahren Tausende Pfälzer ihre Heimat – oft aus wirtschaftlichen Gründen. Auch Donald Trumps Grossvater Friedrich sah in der Pfalz keine Perspektive mehr für sich.
«Hinzu kam, dass die Pfalz damals zu Bayern gehörte. Für viele war die Motivation für die Emigration auch, der zweijährigen Militärpflicht zu entgehen. Auch Friedrich Trump hatte das sicherlich im Hinterkopf», sagt Paul.
Dies war wohl auch der Grund, warum Friedrich Trump, dessen Vorfahren – die Drumpfs – seit Jahrhunderten in der Pfalz lebten, das Königreich illegal verliess. «Um Bayern verlassen zu können, brauchte man eine Entlassungsurkunde. Friedrich Trump hat später versucht, von den USA aus nachträglich eine solche Urkunde zu bekommen», sagt Paul.
Dies sei ihm jedoch nicht gelungen: 1904 kehrte er als reicher Mann – in den USA war er mit dem Betreiben von Hotels und Bordellen zu Geld gekommen – auf Drängen seiner ebenfalls aus Kallstadt stammenden Frau Elisabeth in die Pfalz zurück. Die junge Familie wollte einen Neuanfang in der Heimat wagen. Doch dort wollte man nichts von den Rückkehrern wissen. «Die Trumps wurden 1905 regelrecht abgeschoben», sagt Paul. Dem Präsidentschaftskandidaten, der im Wahlkampf immer wieder gegen Einwanderer gehetzt hat, empfiehlt der Historiker daher, «sich an die eigene Nase zu greifen und sich an die eigene Familiengeschichte zu erinnern».
Diese Hoffnung hegt man in Kallstadt eher nicht. Als vor einigen Jahren Wendels Film «Kings of Kallstadt» in den lokalen Kinos lief, freuten sich wohl noch viele über die Ankündigung Trumps, den Herkunftsort seiner Ahnen eines Tages zu besuchen. Jetzt empfindet man das Versprechen eher als Bedrohung.
Was aber, wenn Trump Präsident wird? Alfred Henninger macht eine ausfallende Handbewegung: «Geh fort!» Der pfälzische Ausspruch heisst so viel wie: Ausgeschlossen.