Ab heute ist der Konsum von Marihuana in Kanada weitgehend legalisiert. Mit dem Aufbau des Verkaufssystems sind die Provinzen allerdings stark in Verzug. Erwartet wird zudem, dass die Nachfrage das Angebot bei weitem übersteigt.
In Kanada beginnt heute eine neue Ära: Erwachsene können Cannabis nun legal als Freizeitdroge konsumieren. Kanada ist das erste grosse Industrieland, das diesen Schritt geht. Aber ganz reibungslos geht es nicht. Für viele Cannabiskonsumenten wird es zunächst sogar etwas schwieriger, den begehrten Stoff zu beziehen. Erwartet werden Engpässe auf dem legalen Markt, weil einige Provinzen langsam beim Aufbau des Vertriebssystems sind.
Mehr als 15 Millionen Haushalte haben in den vergangenen Tagen von der Bundesregierung eine Postkarte erhalten, die über das Cannabis-Gesetz informiert. Darauf steht, was Premierminister Justin Trudeau und seine liberale Regierung mit der Legalisierung erreichen wollen: Eine strikte Regulierung von Produktion und Verkauf soll «Cannabis von Jugendlichen fernhalten und Kriminellen und organisiertem Verbrechen den Gewinn entziehen».
Verbunden ist die Freigabe mit einer gezielten Kampagne, die vor den Gesundheitsgefahren vor allem für junge Menschen warnt. Nach Angaben der Regierung hat Kanada weltweit eine der höchsten Raten an Cannabiskonsum durch Jugendliche. 2015 konsumierten 21 Prozent der 15- bis 19-Jährigen sowie 30 Prozent der 20- bis 24-Jährigen Marihuana. Zu leicht, meint der für die Umsetzung des Gesetzes zuständige Minister Bill Blair, der frühere Polizeichef von Toronto, könnten Jugendliche in Kanada Marihuana bekommen. Das zeige, dass die Prohibition gescheitert sei.
Als einen «historischen Augenblick» bezeichnen kanadische Medien den heutigen 17. Oktober, der die seit 1923 bestehende Prohibition von Marihuana beendet. Kanada ist das erste G7-Land, das sich auf diesen Weg begibt. In den USA haben zwar mehrere Bundesstaaten Marihuana legalisiert, nach dem Bundesgesetz ist die Droge aber weiterhin illegal.
Der Konsum von Cannabis aus medizinischen Gründen war in Kanada bereits 2001 legalisiert worden. Nun gilt dies – mit Alters- und Mengenbeschränkungen – auch für Marihuana als Freizeitdroge. Erwartet wird, dass Cannabis über das Verkaufssystem zu einem Preis von rund 10 Dollar (etwa 7 Euro) pro Gramm gekauft werden kann. Hinzu kommt eine Steuer von einem Dollar pro Gramm, die vor allem in die Provinzen fliessen soll. Zeitgleich mit dem Cannabis-Gesetz wurden neue Straftatbestände für den Verkauf von Cannabis an Jugendliche eingeführt sowie die Strafvorschriften für Autofahren unter Drogeneinfluss verschärft.
Die Regierung warnt ausserdem Touristen, die nach Kanada kommen, und Kanadier, die ins Ausland – vor allem die USA – reisen: «Es ist illegal, Cannabis über die Grenze zu bringen, ob man Kanada verlässt oder einreist.» Beim Grenzübertritt werden sich Reisende verstärkt Fragen zu Cannabiskonsum ausgesetzt sehen. Und an der US-Grenze kann von den US-Beamten sehr schnell ein Einreiseverbot verhängt werden, allenfalls auch lebenslang.
Vom Parlament verabschiedet wurde das Gesetz bereits im Juni. Mit der Festlegung des 17. Oktober für das Inkrafttreten wollte Trudeau den Provinzen, die schon seit langem wissen, was auf sie zukommt, zusätzlich Zeit geben, den Verkauf zu regeln und ein Vertriebssystem aufzubauen. Doch wie sich nun zeigt, war diese Zeit nicht ausreichend. «Die Leute sind in Panik. Sie kaufen so viel, wie sie können. Unsere Bestände sind aufgekauft», sagt ein Angestellter in einem von mehreren Marihuana-Läden in Ottawa. Im ganzen Land gibt es solche Geschäfte, die Marihuana verkaufen. Sie werden seit Jahren toleriert, obwohl sie illegal sind. In den Tagen vor der Legalisierung erlebten die Läden einen Ansturm von Kunden. Denn in einem sind sich Marktbeobachter einig: Die Nachfrage wird das Angebot bei weitem übersteigen.
«Nein, keine Chance», lautet auch die knappe und klare Antwort von Bruce Linton, Chef des grössten Cannabisproduzenten, Canopy Growth, auf die Frage, ob ab jetzt genügend Cannabis zum Freizeitkonsum auf dem legalen Markt sein wird. Das C.D. Howe Institute in Toronto erwartet, dass die aktuelle Produktionsfläche zunächst nur 30 bis 60 Prozent der Nachfrage decken werde: Einem Bedarf von etwa 600 Tonnen könnten eventuell nur 200 Tonnen an Produktion gegenüberstehen. Noch nicht geregelt ist zudem die Zulassung von Lebensmitteln und Getränken mit Cannabis.